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Ich wollte mir am 22.11. eine Booster-Impfung verschaffen; mitten am Tag, Gleitzeit und Homeoffice machts möglich. Das Ergebnis war:Danke, Jens Spahn!(1) Impfzentrum im Ringcenter 2 an der Frankfurter Allee: Keine wirkliche Schlange, aber es standen jede Menge unzufriedener Leute herum: Weil der Impfstoff ausgegangen war, und sie für nichts gekommen waren.
(2) Impfzentrum in den Schönhauser Allee Arcaden: Eine monströs lange Warteschlange, in der hinter mir ein Rentner stand, der auf "die Jugend" (also auch mich (45)) schimpfte, dass die "noch gar nicht dran" wären. Vor mir stand eine Reklametafel, in der ein Werbespot in Dauerschleife lief, dass man sich boostern lassen soll. Als ich nach über einer Stunde endlich dran war, schickte man mich wieder weg, weil meine Zweitimpfung noch nicht fünf Monate zurücklag. Es fehlten acht Tage.
(3) Impfzentrum im Rathaus-Center in Pankow: Die Schlange war länger als in der Schönhauser, und ich verhörte einen Security-Typen so lange, bis er herausbrachte, dass ich nicht geimpft werden könne, wegen der besagten acht Tage.
Ich hatte davor versucht, Termine in den durch den Senat betriebenen Impfzentren in Tegel und an der Messe über doctolib zu bekommen: No way. Tegel hatte gar keine Termine, und Messe erst wieder ab dem 22. Januar.
Als kurz darauf ein neues Impfzentrum im Ring-Center 1 eröffnet wurde, fuhr ich zufällig mit der S-Bahn daran vorbei, und konnte weder den Anfang noch das Ende der Schlange sehen, die sich draußen ums Gebäude wand.
(Jetzt ist das passiert, was mir und anderen auch schon bei der Erst- und Zweitimpfung einen Haufen Huddelei erspart hatte: Die Firma kümmert sich (wir sind selber Medizintechnik), und hat über einen ... ähm ... "befreundeten" Dienstleister Termine besorgt, am 15.12., ohne jeden Stress für die zu Impfenden.)
Mein Fazit lautet:
(1) Eine Menge Leute wollen sich impfen lassen. Sie sind bereit, dafür unter Tag stundenlang anzustehen.
(2) Die Kapazitäten reichen offensichtlich nicht aus, um das auf eine Weise zu bewältigen, die einer westlichen Industrienation würdig wäre.
(3) Wenn man jemanden kennt, und womöglich gar bereits in geschäftlicher Beziehung zu ihm steht, kann man Impftermine (vermutlich) einfach kaufen.
Not-so-fun-fact: Auch als doppelt Geimpfter und mit einem tagesaktuellen negativen Test darf ich das Pflegeheim nicht mehr betreten, in dem gerade ein naher Angehöriger von mir stirbt. Ich darf ihn nicht mehr besuchen, obwohl ich wirklich alles getan habe, wozu man mich im Rahmen der ganzen Wellenbrecherei aufgefordert hat.
Ich kenne promovierte Naturwissenschaftler, die sich vor einem Jahr noch brav allen Anordnungen unterwarfen, die wirklich gesetzestreue Bürger sind, und angesichts der neuerlichen Kontaktbeschränkungen nun aber beschlossen haben, dass sie sich eigentlich doch nicht von der Regierung vorschreiben lassen wollen, wie und mit wem sie ihr Weihnachtsfest verbringen.
Dass notorische Impfgegner, Querulanten und andere unangepaßte Subjekte die Maßnahmen ablehnen, ist nichts neues. Neu ist nach meiner Erfahrung aber, daß dies auch zunehmend auf Leute zutrifft, die bisher eine zuverlässige Stütze des bürgerlichen Staates waren.
Ich finde das nicht verwunderlich, dass sich jetzt so viele boostern lassen wollen. Wenn du Geschichten hörst, dass jemand seinen Hirntumor nicht operiert kriegt, weil die Betten voll sind, dann ändert das den Blick auf die Lage. Risiko ist Eintrittswahrscheinlichkeit mal Schaden, und wenn du davon ausgehen musst, dass kein Bett mehr frei ist, wenn du krank wirst, dann geht halt der Schadensteil der Gleichung hoch.
Der Leserbrief lässt ein bisschen ein schlechtes Gewissen durchscheinen, dass die Firma da was organisiert hat, aber da möchte ich mal darauf hinweisen, dass das explizit so gewollt war, dass Betriebsärzte von Firmen impfen dürfen, können und sollen.