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Nach sieben Jahren und Kosten von mehr als einer halben Milliarde Euro läuft das geplante System noch immer nicht reibungslos. Jetzt hat der Discounter die Reißleine gezogen.Sieben Jahre klingt echt viel. Sehr ungewöhnlich auch, dass Firmen in der Lage sind, bei so einem Katastrophenprojekt die Reißleine zu ziehen. Die meisten Manager sind dazu nicht in der Lage, weil sie nicht zugeben können, einen Fehler gemacht zu haben. Da wird dann viele Jahre lang immer mehr Geld hinterhergeworfen. Das kennt man ja auch von Projekten der öffentlichen Hand.
Aber wieso ist das denn jetzt gescheitert? Hier ist ein Hinweis:
Bislang wurde das neue System aber nur in den kleinen Vertretungen in Österreich, Nordirland und den USA eingeführt. Dabei hat sich wohl gezeigt, dass die von über hundert IT-Spezialisten entwickelte SAP-Version für umsatzstarke Länder nicht taugt.Ich interpretiere das mal als Performance-Probleme. Braucht pro Transaktion zuviel Zeit vielleicht? Oder schafft die Tages- oder Monats-Abrechnung nicht schnell genug?
Von Programmierern hört man in den letzten Jahren immer häufiger, Performance sei ja gar nicht so wichtig. Besonders von Leuten, die dann sedimentäre Abstraktionsentwicklung in Java praktizieren. Das stimmt halt nicht. Ich empfehle immer, harte Performance-Anforderungen in die Abnahmebedingungen zu schreiben. Wenn die gelieferte Software das mit der vorgeschriebenen Hardware nicht in der vorgegebenen Zeit schafft, wird sie nicht abgenommen, und der Softwareentwickler trägt das volle Risiko dafür. Im Moment beobachtet man häufig, dass die Software-Klitschen ihre Inkompetenz einfach an die Auftragnehmer externalisieren, die dann halt mehr Hardware kaufen, weil das billiger ist als sich jahrelang mit irgendwelchen Zulieferern zu streiten. Das Ergebnis sind die üblichen Schnarch-IT-Systeme, die wir alle kennen.
Ich denke mal, dass SAP diese Darstellung nicht auf sich sitzen lassen wird und da auch noch eine Pressemitteilung zu raushauen wird.
Update: Ah, Heise hat noch ein paar Details. Wie üblich in solchen Projekten hat Lidl das nicht alleine zu stemmen versucht, sondern externe Consultants reingeholt. Lidl wollte einige Umstellungen auf sehr grundsätzlicher Ebene. Das ist praktisch immer eine Zeichen dafür, dass das Projekt scheitern wird. Die Idee bei SAP ist nicht, dass du das kaufst und dann an deine Bedürfnisse anpasst. SAP macht in einer Branche das erste Projekt mit dem Marktführer, und alle anderen kaufen das dann und passen sich an SAP an, nicht anders herum. Die Idee ist, dass SAP die Prozesse umgesetzt hat, die beim Marktführer funktionieren. Du kaufst SAP nicht, damit das weiter wie bisher läuft, sondern damit du deine schrottigen Prozesse auf die umstellen kannst, die auch der Marktführer einsetzt. Da war Lidl also entweder schlecht beraten oder sie haben sich über den Tisch ziehen lassen, wenn sie das trotzdem versuchen.
Das andere interessante Detail ist, dass sie SAP Retail auf SAP Hana eingesetzt haben, einer In-Memory-Datenbank. Das ist eine In-Memory-Datenbank. Die Daten passen ins RAM. Entsprechend fette Server hat man da am Start. Ein Einsender schrieb, die hätten mehrere Server mit jeweils 4 TB gehabt, ich habe aber keine Ahnung, woher er diese Zahlen hat. Aber von der Größenordnung klingt das für mich nicht unglaubwürdig. Der Unterschied in Zugriffszeiten zwischen DRAM und Platten liegt bei mehreren Größenordnungen. Selbst bei den schnellsten SSDs ist DRAM immer noch eine Größenordnung schneller. Was ich sagen will: Man muss sich echt aus dem Fenster lehnen, um eine Anwendung so zu verkacken, dass sie gegen eine In-Memory-Datenbank schlecht performt.
Die Beraterfirma ist jetzt natürlich unter Druck, das nicht als ihr Verkacken dastehen zu lassen, kann aber auch nicht die Schuld zu Lidl schieben, wenn sie da jemals nochmal Kohle absaugen wollen. Das Ergebnis dieses Spagats seht ihr hier. Money Quote: „Im Vergleich zu ähnlichen Transformationsinitiativen also sehr kurze Projektphasen“. Mit anderen Worten: Andere verkacken noch schlimmer als wir!1!! Und inhaltlich widersprechen sie im Wesentlichen auch bloß der Behauptung, bei Lidl rausgeflogen zu sein. Nicht der Größenordnung der verbrannten Kohle, nicht dem Zeitrahmen und nicht dem „war zu langsam“. (Danke, Alexander)