Fragen? Antworten! Siehe auch: Alternativlos
Wenn man die Frage mal runterbricht, kommt man zu der Frage, ob eine Entscheidung nicht automatisch richtig ist, wenn sie in einem Volksentscheid von der Mehrheit der Bevölkerung abgestimmt wurde. Aaron König, Mitglied im Bundesvorstand der Piraten, hat das in seinem Blog klar bejaht, und findet auch, dass wir da kein Recht auf Kritik haben, weil wir ja keine direkte Demokratie haben sondern nur ein Kabinett von nicht demokratisch legitimierten Knalltüten über unsere Köpfe hinweg für uns abstimmt. Desweiteren hält er den Islam nicht für eine Religion, sondern für eine "politische Bewegung mit Allmachtsanspruch", und stilisiert das Minarettverbot gar zu einem Sieg für die Aufklärung und Demokratie hoch, weil der Islam ja gegen Gleichberechtigung ist, und sich daher die Demokratie gegen den Islam und für die Aufklärung entschieden hat.
Ich glaube, er macht es sich da deutlich zu einfach. Aber ihn dafür als Nazi zu beschimpfen, das greift auch zu kurz. Ich glaube schlicht, dass er über das Problem vor dem Bloggen nicht nachgedacht hat, und sich auch nicht informiert hat vorher, sonst wüßte er nämlich, dass die tolle Basisdemokratie in der Schweiz dazu geführt hat, dass es erst ab 1971 Frauenwahlrecht gab. In Europa hat nur Liechtenstein noch länger gebraucht, um das Frauenwahlrecht einzuführen. Der Kanton Innerrhoden musste sogar 1990 gerichtlich zur Einführung des Frauenwahlrechts gezwungen werden. Die Schweizer hier also zu einem Bollwerk der Aufklärung zu stilisieren, das war nichts.
Ich persönlich habe mich in diesem Blog zwar gegen unser System aber auch gegen Basisdemokratie ausgesprochen. Das liegt daran, weil Basisdemokratie anfällig ist für Demagogie und Furcht-PSYOPs. Die Bevölkerung läßt sich mit genügend Furcht dazu bringen, für so gut wie alles zu stimmen. Daher braucht man ein Fundament, eine Verfassung, die nicht zurechtrückbar ist, und in der die Grundprinzipien der Aufklärung und der Menschenrechte festgeschrieben werden. Und wenn es nach mir ginge, stünde da auch ein Verbot der öffentlichen Ausübung von organisierter Religion drin.
Oh und: jeder sollte, bevor er sich für oder gegen Basisdemokratie entscheidet, durch ein paar Jahre AStA-Abstimmungen und -Debatten durch.
Update: Nein, ich halte unsere Sockenpuppendemokratie nicht für einen besseren Schutz gegen Propaganda. Aber eben auch nicht für ausreichend viel schlechter, dass sich der Umstieg per se lohnt. Als Konzept, das alle unsere Probleme löst, wird gerade Liquid Democracy gehandelt. Ich habe das noch nicht ausreichend verstanden und durchdacht, um das für die Lösung zu halten, aber es scheint immerhin vielversprechend. Die große Gegenindikation ist, dass man dafür E-Wahlen braucht.