Fragen? Antworten! Siehe auch: Alternativlos
Aber keine Sorge, damit müsst ihr euch nicht auseinandersetzen. Gleich nebenan zündeln sie an einem Buschbrand, der euch davon ablenken wird: den einheitlichen EU-Patenten. Damit wird unsere Industrie endlich so richtig von Erpresserbanden geschröpft, die jetzt keine Ransomware mehr programmieren müssen sondern einfach ein paar Bullshit-Patente vollstrecken. Klar, die Vorversion des Vorstoßes ist vom Verfassungsgericht aus formalen Gründen (!) kassiert worden, und das verstößt gegen gleich drei internationale Abkommen, aber seit wann scheren sich CDU und SPD um die Verfassungsmäßigkeit ihrer Vorhaben, oder gar um internationale Abkommen!
Aber was wenn ihr arbeitslos seid und von Softwarepatenten nicht direkt betroffen wäret (außer dass alles teurer wird)? Nun, keine Sorge, auch dafür ist vorgesorgt: In sozialen Netzen wollen sie jetzt mit KI Antisemitismus "aufdecken". Und die Person muss noch geboren werden, in deren Online-Äußerungen eine freidrehende KI nicht irgendein kodiertes Anzeichen für Antisemitismus finden kann. Dabei ist das die älteste Lektion der Computerei: Man kann soziale Probleme nicht technisch lösen. Das führt nur zu neuen Problemen. In diesem Fall einem tollen Synergieeffekt für den Unterdrückungsstaat: Die Bürger verschwenden ihre Zeit damit, sich gegenseitig zu canceln und haben keine Zeit mehr, dem Staat auf die Finger zu gucken.
Aber so ein schönes Beispiel wie das hier ist kaum vorstellbar: Bordrestaurants in ICEs sind jetzt ein Staatsgeheimnis. Irgendein FDP-Abgeordneter wollte wissen, wie hoch der Anteil der Bahnkilometer ist, die in den letzten Jahren ohne funktionierendes Bordrestaurant befahren wurden. Antwort:
Das Verkehrsministerium habe darauf verwiesen, dass die Informationen "verfassungsrechtlich geschützte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der betroffenen Unternehmen berühren" und daher nicht herausgeben werden dürfen. Unter Abwägung des parlamentarischen Auskunftsanspruchs und dem Schutz der Bahn-Geheimnisse "hat die Bundesregierung die erbetenen Informationen als VS-Vertraulich eingestuft", zitiert die "Welt am Sonntag" aus dem Schriftverkehr.Und wenn die "Welt am Sonntag" den Scheiß nicht hinter eine Paywall getan hätte, hätte ich sie verlinkt statt des Sterns, der hier bloß abschreibt.
Hach ja, der Scheuer-Andi! Oder wie ihn die Titanic nennt: Andi B Scheuert! Ich fand ja so Namens-Klamauk immer unwürdig (also nicht für die beleidigte Person sondern für den Satiriker, der das nötig hat), aber der Scheuer-Andi hat echt alles in seiner Macht getan, um sich diesen Würdentitel zu verdienen.
Update: Falls sich da gerade jemand verarschen lässt: Die Bahn ist im Staatsbesitz. Wenn der Staat also argumentiert, er könne Informationen zur Bahn nicht rausrücken, weil das Geschäftsgeheimnisse betrifft (und die Bahn-Eigner nicht einverstanden wären) dann lügen sie euch direkt ins Gesicht, denn SIE SIND DIE FUCKING EIGNER. Hier werden keine Firmeninteressen gesichert, sondern hier will die Politik ihr monumentales Totalversagen vertuschen.
"Was bringt das beste Gesetz, wenn es am Verfassungsgericht scheitert?" Der korrigierte Entwurf begrenze "das verfassungsrechtliche Risiko auf ein Minimum".Ja, äh, nun, öhm, wenn es am Verfassungsgericht scheitert, (Sie müssen jetzt sehr tapfer sein, Herr CDU-Minister) dann war es wohl nicht das beste Gesetz. Merkense selber?
Wer wählt eigentlich immer diese Spezialexperten auf politische Posten!?
Der Fall ist schnell erzählt: Eine Facebook-Benutzerin hatte eine meiner Lieblingsbeleidigungen gepostet:
"Ich kann mich argumentativ leider nicht mehr mit Ihnen messen, Sie sind unbewaffnet und das wäre nicht besonders fair von mir", ergänzte die Klägerin und fügte ein Smiley (":-D") an.Die Facebook-Zensur-Brigaden haben das als Hate Speech bewertet und gelöscht, dagegen hat die Frau geklagt und Recht bekommen.
Nun ist das OLG München nicht das einzige OLG, das sich zu solchen Fragen geäußert hat, und der BGH hat sich noch gar nicht gemeldet. Aber dass es überhaupt zu diesem Urteil kommen konnte, ist schon mal ein krasser Einschnitt.
Update: Mehrere Leser kommentieren, dass das gar nicht so eine Zeitenwende ist: Hier exemplarisch ein Leserbrief:
in der Facebook-Sache vor dem OLG München hat das Gericht keineswegs etwas Neues gemacht. Es hat schlicht die uralte, allgemein anerkannte und wohl jedem Jurastudenten bekannte mittelbare Drittwirkung der Grundrechte beachtet. So steht es auch im Urteil drin:
"Im Hinblick auf die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte, insbesondere des Grundrechts des Nutzers auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), muss deshalb gewährleistet sein, dass eine zulässige Meinungsäußerung nicht von der Plattform entfernt werden darf (…). Den Grundrechten kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts insoweit eine mittelbare Drittwirkung zu, als das Grundgesetz in seinem Grundrechtsabschnitt zugleich Elemente objektiver Ordnung aufgerichtet hat, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung haben, mithin auch das Privatrecht beeinflussen (BVerfG, Beschluss vom 23.04.1986 – 2 BvR 487/80, Rn. 25, BVerfGE 73, 261; Urteil vom 15.01.1958 – 1 BvR 400/51, Rn. 26, BVerfGE 7, 198;).
Wie Du siehst, beruft sich das Gericht auf bundesverfassungsrechtliche Rechtsprechung aus den 50er Jahren. Also nichts Neues.
Wenig überraschend hat das eingeschlagen wie eine Granate.
Wenn die Kernbrennstoffsteuer hingegen nicht als Verbrauchsteuer einzuordnen ist, handelt es sich um eine gänzlich neue Steuer, für die das Grundgesetz selbst keine Verteilungsregelung enthält. Dann stellt sich die klassische steuerverfassungsrechtliche – vom BVerfG nun erstmals beantwortete – Frage, ob der Bund Steuern frei erfinden kann, die das Grundgesetz nicht kennt.Und die Antwort ist: Nein.
Update: Die Süddeutsche bringt ein paar valide Kritikpunkte an der Entscheidung vor.
Das Spannende ist jetzt das Folgende:
Die Einordnung der Äußerungen als Werturteile und Tatsachenbehauptungen ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.Es geht hier nicht um Larifari-"Ich fühle mich verletzt"-Äußerungen sondern um Tatsachenbehauptungen. Die Frau hat anscheinend öffentlich gesagt, es sei doch eine Vergewaltigung gewesen, und der Freigesprochene hat auf Unterlassung geklagt und in allen Instanzen unterhalb des Verfassungsgerichts Recht bekommen.
Das Verfassungsgericht sagt jetzt:
Die Tatsachenbehauptungen sind nicht erwiesen unwahr. Im Strafverfahren konnte nicht geklärt werden, ob die Angaben der Beschwerdeführerin oder die des Klägers der Wahrheit entsprechen.Weil es keine Gegenbeweise gab, zählen diese Tatsachenbehauptungen als Meinungsäußerungen und sind damit grundsätzlich zulässig.
Für mich klingt das jetzt, als könne man damit ab jetzt ungestraft Menschen irgendwelcher Straftaten bezichtigen, wenn man nur sicher sein kann, dass die das Gegenteil nicht beweisen können.
Ich finde das rein intuitiv eine recht gruselige Vorstellung.
Wie kommt denn das, dass dieses Urteil nicht einmal die Boulevard-Presse hoch und runter ging? Oder hab ich das bloß übersehen?
Update: Es gab ein paar Berichte, die hatte ich übersehen. Und inhaltlich ist es auch so, dass Kachelmann sich vorher abwertend über die Klägerin geäußert hatte, und zwar vor dem Freispruch. RA Stadler erklärt die Details. Der Knackpunkt scheint zu sein, dass Kachelmann und seine Anwälte sich nach Ansicht des Gerichtes pöbelnd und unsachlich geäußert haben, also darf sie auch zurückpöbeln.
Er warnte vor überzogenem Fortschrittsglauben und verwies auf die Jahre, in denen Atomkraft in Deutschland als saubere Technik galt. Damals habe niemand die Nebenwirkungen dieser Technologie wahrgenommen.Apropos Maaßen und "Verfassungsschutz". Dazu gibt es eine Hintergrund-Geschichte:[…]
"Das Internet ist Realität und anderes als bei der Atomkraft gibt es keinen Ausstieg aus dieser Technik mehr", erklärte er.
Laut Lammert habe das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) den Bundestag zuerst am 12. Mai über den Angriff informiert, beteiligte sich aber bis jetzt nicht an der Aufklärung des Angriffes, da Vertreter der Opposition verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet hatten.Tja so ist das, wenn man als Behörde seine Glaubwürdigkeit verspielt. Dann glaubt einem keiner mehr.
Zumachen. Jetzt.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechtsgrundlage der Bundeswehr in out-of-area Fällen in Art. 24 GG verortet. Die Leitentscheidung des Gerichts, die das erstmals erwähnt hat („erfunden hat“) ist im 90. Band (verfügbar etwa unter: http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv090286.html). Die verfassungsrechtliche Idee des Gerichts war: Wenn man sich - so der Inhalt von Art. 24 GG - als Bundesrepublik Deutschland an internationalen Organisationen beteiligen darf, die ihrerseits militärische Operationen durchführen (zB UNO, später auch die NATO), dann ermächtigt das Grundgesetz damit auch implizit zu out-of-area Einsätzen der Bundeswehr.Mach ich doch glatt! (Danke, Karsten)Ob das zwingend ist, diese implizite Annahme zu unterstellen, kann man bezweifeln. Jedenfalls sagt unser Verfassungsgericht das. Die Bundeswehr sollte also auch Art. 24 GG zitieren. Oder Du machst die „richtige Rechtsgrundlage“ zumindest in Deinem Blog bekannt?
Kaum hatte der Landtag Bodo Ramelow Anfang Dezember 2014 zum Ministerpräsidenten gewählt, beantragte der Beamte seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand - bei vollen Bezügen.Begründung: Gewissenskonflikt. Nur auflösbar durch einen Ruhestand bei vollen Bezügen.
Das Gericht sagte dazu:
Weder aus dem Grundgesetz noch aus dem Beamtenrecht ergebe sich beim Wechsel eines Ministerpräsidenten die Ruhestands-Option für Beamte. Auch einen "verfassungsrechtlich relevanten Gewissenskonflikt" konnten die Richter nicht feststellen.Netter Versuch! (Danke, Martin)
Unabhängig von meinem Kopfschütteln ist das aber auch wichtig für zukünftige Verfassungsbeschwerden. Ab jetzt also Mitbeschwerdeführer suchen, und nicht denken, hey, ich hab die Finanzierung geklärt, jetzt kann nichts mehr schiefgehen.
Aber das Fass zum überlaufen gebracht hat das hier (es geht um das No-Spy-Abkommen, und dass die Regierung Informationen zu den Verhandlungen dazu dem NSA-Ausschuss nicht offenlegen will):
Diese seien tabu, weil es sich um ein "laufendes Verfahren" handele, sagte nach Informationen des SPIEGEL ein hochrangiger Regierungsbeamter. Außerdem gehe es dabei um den "Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung", der verfassungsrechtlich geschützt sei.Diese Formulierung löst in mir eine enorme Wut aus, besonders um Zusammenhang damit, dass sie hier mit Verfassungsrecht argumentieren, weil mir das so dermaßen wie ein Taschenspielertrick vorkommt, um den vom Verfassungsgericht immer wieder zitierten Kernbereich privater Lebensgestaltung zu missbrauchen, um für ihre, na sagen wir mal, "Arbeit" einen ähnlich starken Schutz zu konstruieren. Aber es stellt sich raus, dass ich da bloß ignorant war. Den Begriff gibt es wirklich, den haben sie schon 2007 benutzt, um die Geheimdienste vor der parlamentarischen Kontrolle zu schützen. Und schon damals haben sie dafür vom Verfassungsgericht auf die Fresse bekommen. Das ganze geht zurück auf ein Urteil des Verfassungsgerichtes aus dem Jahre 1984. Da ging es pikanterweise um den Flick-Untersuchungsausschuss. Historisch gesehen passt das also mal wieder ganz großartig. Eine korrupte Mischpoke, unsere Politik. Damals wie heute.
Die Begründung ist besonders witzig:
Am Ende sitze er sonst beim Bundesverfassungsgericht und müsse für den Beschluss geradestehen.Ach da liegt der Hase im Pfeffer! Der hat bloß keinen Bock mehr, da wieder als Kanonenfutter für seine "Parteifreunde" zu dienen und da als der Depp dazustehen, weil die anderen verkackt haben. Und fairerweise muss man ja sagen, dass er sich schon negativ zum LSR geäußert hat und dafür aus dem Bundestag geflogen ist. Von seinen lieben Freunden von der CDU in den Rücken gedolcht. Das scheint einen Lerneffekt gezeitigt zu haben.
Aber ein Altmaier allein macht noch keinen Frühling. Sosehr es mich freut, wenn ein Ritter der Ehrenlegion und einflussreicher Konservativer offenbar wirklich zu verstehen beginnt […]Man fängt an mit ein paar unbequemen Wahrheiten über den Gegenspieler, dann legt man eine Packung Musikindustrie-Bashing nach, macht ein paar "die sind eh alle so gut wie am Ende"-Zukunftsaussagen, verbreitet eine Packung "die Daten fließen alle nach Amerika ab"-Angst, und schließlich legt man noch eine Packung Eigenlob nach.
Bereits nach dem Zwei-Prozent-Erfolg der Piratenpartei im Jahr 2009 wurden bei CDU, CSU, SPD, Grünen und FDP die randständigen Netzpolitiker in den eigenen Reihen nicht mehr nur belächelt.Soweit zum Standard-Parcours, danach kommt die Kür.
Bisher konnte man die Situation der Piraten mit „hoffnungslos, aber nicht ernst“ charakterisieren. Jetzt gibt es Hoffnung, doch die Lage ist ernst geworden. Waren die politischen Freibeuter bisher nur ein wenig lästig, so ist nun zu erwarten, dass die Gegenkräfte ernstzunehmende Ressourcen mobilisieren werden, um die neuentstandene Situation unter Kontrolle zu bekommen.So sieht das aus. Und der gefährlichste Feind der Piraten sind unerwarteterweise die CDU/CSU. Das zeigt Pavel anhand dieses Beispiels:
Die Konservativen im Land werden die gefährlichsten Gegner der Piraten, denn sie sind bemerkenswert handlungsfähig. Drei Tage, nachdem in Fukushima die Meiler explodiert waren, stritten grüne und linke Kräfte noch über Strategien und Demonstrationstermine, während die Konservativen bereits die kurz zuvor in ihrer Laufzeit noch verlängerten Altkraftwerke reihenweise herunterfuhren - eine beeindruckende Demonstration von politischem Gespür und Machtinstinkt.Das Problem ist, wenn man sowas nennt, dass man ja die CDU nicht loben will, eher im Gegenteil. Der Übergang ist nicht so einfach, aber Pavel macht es ausgezeichnet:
Es zeigt aber auch, dass man es mit Recht und Gesetz nicht so genau nimmt, wenn Eile geboten scheint. Denn so sehr man die Stilllegung der Kraftwerke begrüßen mag, so wenig gab es eine gesetzliche Grundlage dafür.und weiter unten
Das politische Hauptproblem ist, dass es in Zeiten des Internets immer schwieriger wird, mit solchen Rechtsbrüchen davonzukommen. Das zeigt die aktuelle Affäre um den Staatstrojaner.Schöner Übergang auch. Und einmal beim Trojaner angekommen, nimmt Pavel keine Gefangenen mehr:
Wie aber können Verantwortliche, die das Recht mit Füßen treten, sich anmaßen zu behaupten, sie würden das Recht schützen?Die Falle an der Stelle ist, dass man die Debatte "aber die armen Polizisten, die tun doch nichts unrechtes, die folgen doch nur Befehlen" vermeiden will, weil man sich sonst in Aussage-gegen-Aussage-Teergruben aufreibt und sein Momentum verliert. In der Tat geht es ja auch wirklich nicht um die Polizisten, die würden sich nach entsprechenden Strukturreformen auch wieder an Recht und Gesetz halten, zum Großteil jedenfalls, und den Rest muss man dann halt rausschmeißen. Das ist aber nichts, was man jetzt groß thematisieren will, sonst machen die Polizeigewerkschaftsbosse wieder eine Tränentour durch die Talkshows. Pavel umschifft die Problematik so:
Die Ursachen für die Staatstrojaneraffäre liegen nicht in mangelndem technischen Sachverstand oder finanziellen Engpässen. Sie sind in der grundsätzlichen Struktur zu suchen, die mit Konstruktionsfehlern behaftet ist, die nicht erkannt und beseitigt werden, weil vieles den Augen der Öffentlichkeit und der politischen Kontrolle entzogen ist. Der Trend zur Vergeheimdienstlichung normaler Polizeiarbeit zeigt fatale Auswirkungen.SEHR schöner Übergang, Pavel! Dann bedient er sich im Drehbuch von Yes, Minister und spielt die inkompetente politische Ebene gegen die Profi-Beamten aus.
Selbst ein Wolfgang Schäuble, der in der Öffentlichkeit in dem Ruf steht, aus Sicht des Apparats ein guter Innenminister gewesen zu sein, wurde dort für eine Heißluftpumpe gehalten.Hört, hört!
Ich will das nicht alles zitieren, aber das ist taktisch und inhaltlich gut und lesenswert und ich empfehle eine vollständige Lektüre.
Ein-zwei Klopper ziehe ich mal noch raus, weil die so schön sind:
Dem einzelnen mit der Durchführung beauftragten Beamten mag man mit viel Augenzwinkern noch eine rechtlich falsche Beurteilung oder Ermessensfehler zugestehen. Doch kann man unmöglich gelten lassen, dass bei Beschaffungsvorgängen in diesen Größenordnungen keine rechtliche Prüfung erfolgte, wo doch sonst für den Kauf einer Socke erst die Rechtsgrundlagen geklärt und umfangreiche Eignungs- und Konformitätsprüfungen durchgeführt werden.*händereib*
Und dann noch diese veritable Breitseite in Richtung Altmaier:
Sie, Herr Altmaier, und ihre politischen Freunde haben sicher tiefe Einblicke in das Eigenleben der Sicherheitsapparate. So erklärt sich vielleicht, dass ihnen der Staatstrojaner als relative Petitesse erscheint. Was für verfassungsrechtliche Skelette tanzen denn noch in den Kellern der deutschen Sicherheitsbehörden, wenn ein so massiver Verstoß wie der Staatstrojaner eine Kleinigkeit sein soll?YESSSSS!
Und stilvoll endet das Traktat mit dem Hinweis in Richtung Altmaier, sollte er es ernst meinen und feststellen, dass er in der falschen Partei ist, könne man ja über alles reden :-)
Es geht mit den üblichen Lügen los, dass das Internet ein rechtsfreier Raum sei, dass es dieses Gesetzes bedürfe, um das Verbot von Kinderpornographie im Internet durchzusetzen, dass die Verfügbarkeit von Kinderpornos ein Anreiz für weitere Missbrauchsfälle sei. Haben wir alles schon zigmal widerlegt, spare ich mir hier.
Franziska hält dagegen, vergreift sich aber bei der Wortwahl "ineffizient". Das ist kein Zeichen von Ineffizienz. Ineffizienz ist, wenn man zu wenig blockt. Wenn man zuviel blockt, ist das Missbrauch der Zensurinfrastruktur. Daher warnen wir ja auch vor Missbrauch. Das ist keine theoretische Erwägung, sondern das kann man bei allen "Vorbildern" für unsere Zensurinfrastruktur so live und in Farbe beobachten. Und da kommen wir zum ersten Schenkelklopfer von Zensursula:
Die genaue Recherche zeigt, dass diese Listen oft schon alt waren und völlig überholt. Das ist kein wirkliches Argument.Und dann wechselt sie das Thema. So einfach geht das bei uns im politischen Diskurs.
Als nächstes kommt ihr Vergleich mit einem Bildband in der Buchhandlung, und Zensursulas Argumentation fußt am Ende auf der Behauptung, die Sperren in den anderen Ländern würden täglich zehntausende von Leuten vom Kinderpornoklicken abhalten. Hier hätte man einhaken müssen, woher Sie denn weiß, dass die Leute nach Kinderpornos gesucht haben? Das könnte ja auch ein Cron Job sein, der alle Domains durchgeht, um zu gucken, welche zensiert werden. Oder ein Netzaktivist, der alle Einträge der Sperrliste in einem Iframe verlinkt, um zu zeigen, wie sinnlos diese Sperren sind. Oder oder oder. Oder vielleicht klickt da auch gar keiner drauf und das ist nur eine Schutzbehauptung der Behörden, um ihr Gesicht zu wahren angesichts der offensichtlichen Nichtwirksamkeit der Sperren. Damit kommen wir zum nächsten Schenkelklopfer:
Wer die Stoppseite zu umgehen versucht, macht sich bewusst strafbar, weil er dann aktiv nach Kinderpornografie sucht.Das ist natürlich Unfug. Ich habe z.B. einen eigenen DNS-Resolver am Start, weil ich für mich kritische Infrastruktur lieber selber betreibe als sie an andere outzusourcen. Damit "umgehe" ich etwaige DNS-Sperren. Und selbstverständlich mache ich mich damit nicht strafbar, schon gar nicht bewußt, und ich suche auch nicht nach Kinderpornographie, und selbst wenn jemand nach Kinderpornographie sucht, macht er sich nicht automatisch strafbar.
Mein persönlicher Höhepunkt ist aber der folgende Satz, bei dem ich wahrscheinlich ausfallend geworden wäre:
Aber es ist interessant, dass Sie jetzt leugnen, dass es einen Massenmarkt von Kinderpornografie im Internet gibt.Un-glaub-lich. Völlig untragbar! Wie konnte diese Person jemals für irgendein Amt mit Menschenkontakt zugelassen werden? Die wäre ja schon als Schülersprecher ungeeignet! Leugnen! Wenn man bedenkt, dass die Däubler-Gmelin damals für deutlich weniger zurück getreten ist. Oh und als Quelle für ihre wilden Fantasiezahlen zum angeblichen Massenmarkt Kinderpornographie nennt sie Unicef, die Internet Watch Foundation und das BKA. Das BKA sagt in der polizeilichen Statistik das Gegenteil, die Internet Watch Foundation hat sich u.a. durch die Sperrungen von Wikipedia und archive.org komplett lächerlich gemacht (und selbst DIE sagen in ihrer Statistik das Gegenteil) und Unicef hat sich als Quelle unbrauchbar gemacht.
Als nächstes lügt Ursula lächelnd der Kamera folgendes ins Gesicht:
Gleichzeitig sehen wir deutlich mehr Fälle bei der Verbreitung kinderpornografischer Schriften.Tatsächlich sind sie konstant geblieben. Aber wartet, wir noch härter:
Dazu müssen wir von einer hohen Dunkelziffer ausgehen.ACH. Jetzt begründen wir schon mit Fantasie-Dunkelziffern Zensurgesetze, ja? Missile Gap, anyone?
Der nächste Absatz muss insgesamt zitiert werden, um seine Absurdität voll zur Geltung zu bringen:
Der Kampf um Meinungsfreiheit war immer berechtigt. Aber diejenigen, die in den vergangenen Jahrzehnten oder Jahrhunderten um die Freiheit von Zensur gekämpft haben, taten das, weil sie anders als die Obrigkeit dachten oder ihre Religion ausüben wollten. Aber niemals, damit Bilder von Gewalt oder Kinderpornografie verbreitet werden können. Freiheit kann nie bedingungslos sein. Ihre Grenze ist da erreicht, wo sie die Freiheit oder die Würde des Mitmenschen infrage stellt. Zensur in Deutschland wäre, wenn zum Beispiel das Wort "Zensursula" verboten würde. Aber dass Bilder von vergewaltigten Kindern nicht frei zugänglich sind, das ist keine Zensur.Das müssen wir ihr dann halt schon glauben, dass da nur Kinderpornographie drauf ist. Und sie hat ja gerade demonstriert, wie glaubwürdig ihre Aussagen so sind.
Auf den Vorwurf, wir würden gerade Zensurregimes im Iran und in China durch unsere Zensur legitimieren, kommt dann folgender Hammer:
Exakt die Gegenpositionen nehmen namhafte Rechtswissenschaftler ein, die sagen: Die verfassungsrechtlich geschützte Informationsfreiheit deckt nicht, dass strafrechtlich relevante Inhalte zur Verfügung gestellt werden. Wir leben in einem Rechtsstaat. Die Diskussion um die aktuelle Zugangserschwerung zeigt, wie aufmerksam dieser Staat damit umgeht.Erstens ist das nicht die Gegenposition, schon gar nicht die exakte, zweitens bestreitet niemand diesen sinnlosen Allgemeinplatz, drittens leben wir dank ihrer Zensurlisten und ihrer Abschaffung der Gewaltenteilung nicht mehr in einem Rechtsstaat und viertens zeigt die Diskussion das Gegenteil, nämlich dass der Staat seine Bürger ignoriert, selbst wenn sie ihm in der größten Petition in der Geschichte der Bundesrepublik deutlich mitteilen, dass sie weiterhin gerne in einem Rechtsstaat leben würden. Ich möchte an der Stelle auch mal einen echten Rechtswissenschaftler zitieren:
Or, as Petersmann memorably suggests, constitutionalism's foundational insight is that the central political question is not who shall govern, but rather 'how must laws and political institutions be designed … so that even incompetent rulers and politicians cannot cause too much harm' (Petersmann 1997)
Das Zitat kommt von Jeffrey L. Dunoff, "The WTO Constitution, Judicial Power and Changing Patterns of Authority", in Rittberger/Nettesheim: "Authority in the Global Political Economy", Basingstoke: Palgrave Macmillan 2008, S.68 (Dank an atoth fürs Raussuchen).Den nächsten kapitalen 12-Ender, den sie schießt, muss man auch großflächig zitieren:
Es stimmt nicht, dass jeder kriminalisiert wird, der zufällig auf eine gesperrte Seite gerät. Das war mir wichtig, denn viele Nutzer kommen ungewollt auf diese Seiten. Ich habe deshalb gegen die Vorstellung der SPD gefochten, dass automatisch die Daten aller Nutzer gespeichert werden. Diese Daten werden jetzt sofort gelöscht.Das muss man ja schon würdigen. So dreist in das Mikrofon zu lügen, ohne dabei das Gesicht zu verziehen, das erfordert jahreslanges Unehrlichkeitstraining. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall, und in einigen der Knebelverträge, die sie den ISPs aufgenötigt hat, steht das noch explizit drin, dass die Daten in Echtzeit ans BKA gehen sollen. Hat mir jemand geleakt. Wissen können wir das natürlich nicht, weil diese Verträge ja geheim sind. Wahrscheinlich sind sie auch genau deshalb geheim, damit nicht so auffällt, wie sehr uns die Ursula gerade ins Gesicht lügt.
Und auch die Darstellung, dass man ja den Betreibern nicht Bescheid sagen müsse, wenn man sie sperrt, weil es ja im Internet "40 Millionen Kontrolleure" gäbe, ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten. Hier hat Franziska sehr schön schlagkräftig reagiert:
Heine: Wollen Sie die Bürger aufrufen, sich pädophilen Inhalten aussetzen zu müssen, um die Kontrolle demokratischer Rechte wahrzunehmen? Sie haben doch oft genug öffentlich gesagt, dass derjenige, der so etwas sieht, süchtig danach werden kann.MUHAHAHAHA, sehr schön! Zu dem folgenden Charite-Verweis verweise ich auf netzpolitik.org, wo man sehen kann, dass ausgerechnet Zensursula einem Prof ausgerechnet an der Charite seine Arbeit nicht finanzieren wollte, der ausgerechnet Pädophilen ihre Neigungen kontrollieren helfen wollte.
Die geheimen Filterlisten verteidigt Zensursula mit der Lüge, dass man ja ansonsten die Ermittlungen öffentlich machen würde, und sie dann zum Erliegen kämen. Das ist natürlich, wie auch Franziska einwirft, eine groteske Falschdarstellung, weil die Webseite ja merkt, wenn ihre Kundschaft von einem Stoppschild aufgehalten wird. Die Ermittlung ist also bereits veröffentlicht zu dem Zeitpunkt.
Als Sahnehäubchen marginalisiert Zensursula dann noch die Petition mit den Worten
Ich meine: 134.000 Zeichner, das ist schon etwas. Aber es gibt 40 Millionen Internetnutzer.und
von der Leyen: Ich kann das Gefühl schon nachvollziehen, aber eine Onlinepetition ist mit einem Klick unterschrieben …Was für eine schöner Arschtritt für die Bürger. Da seht ihr mal, wie wir hier mit aufmüpfigen Bürgern umgehen, die glauben, sie könnten Einfluß nehmen auf unsere sinnlosen Wahlkampf-Aktionismus-Gesetze! Als sie dann noch "Ausschussberatungen" als "demokratischen Prozess" bezeichnet, will man nur noch eine goldene Merkbefreiung am Bande überreichen. Die Frau muss da weg. Die hat schon mehr Schaden angerichtet als alle ihre Vorgänger zusammen.Heine: … das stimmt nicht!
von der Leyen: Okay, vielleicht braucht es zwei, drei Minuten.
Update: ist euch aufgefallen, dass sie sagt, "der Kampf um Meinungsfreiheit war immer berechtigt"? Ein Schelm, wer dabei böses denkt. Danke an Cryx für diesen Hinweis.
Die Stasi hatte mehrere hunderttausend Mitarbeiter. Sie hat Menschen dazu gebracht, sich gegenseitig zu bespitzeln. Nicht einmal Ehegatten konnten einander trauen. Eltern mussten am Küchentisch darauf achten, was sie erzählen, damit ihre Kinder das nicht in der Schule ausplaudern. Das war eine Atmosphäre der Angst. Wer das mit der Bundesrepublik vergleicht, der diffamiert unsere Freiheitsordnung in einem Maße, wie wir es nicht zulassen dürfen. Wir haben nämlich in Deutschland schon einmal eine Freiheitsordnung durch verantwortungsloses und bösartiges Gerede derart diffamiert, dass am Ende die NS-Gewalt- und Willkürherrschaft an die Macht kommen konnte.Wow! Wir sind uns also einig, dass wir gerade kurz vor der Machtübernahme der Faschisten sind, wir sind in der Zeitlinie nur ein paar Jahre auseinander!
Überhaupt lohnt sich das Interview. Da sieht man mal, wie verzweifelt der Mann inzwischen ist. Er wirft z.B. der taz vor, mit Berichterstattung über die Vorratsdatenspeicherung die Stasi verharmlosen zu wollen. Wer gegen den Überwachungsstaat ist, muss aus eigener Schuld heraus den DDR-Überwachungsstaat zu verharmlosen suchen. Eine andere Erklärung gibt es nicht.
Auf die Frage, ob das Speichern so vieler Daten nicht ein höheres Risiko darstellt als die Gefahren, vor denen es schützen soll, da antwortet Schäuble:
Das heißt, Sie wollen die Informationstechnologie ganz abschaffen?Krass. Politischer Diskurs auf dem Niveau einer AStA-Sitzung.
Auf das BKA-Gesetz angesprochen versteift er sich sogar noch zu folgender Aussage:
Das BKA hat eine neue Aufgabe übertragen bekommen: die Abwehr terroristischer Gefahren. Dazu braucht es genau die gesetzlichen Befugnisse, die jede Landespolizei seit 60 Jahren hat. Im übrigen sehe ich nicht, dass es gegen den Gesetzentwurf durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gibt. Das zeigte auch die Anhörung im Bundestag. Jeder Kabinettskollege weiß, dass es mein Ministerium mit der Frage der verfassungsrechtlichen Beurteilung sehr ernst nimmt. Ich schütze Grundrechte, ich gefährde sie nicht.Da kann ich nur noch betroffen auf meinen Bildschirm gucken, und mich an den hier erinnert fühlen.
Aber einen setzt er noch drauf. Angesprochen auf die beiden Kölner Bayernwahl-"Terroristen" und ob man jetzt verstärkt damit rechnen müsse, unschuldig in Haft zu kommen, meint er:
Die Sicherheitsbehörden haben die Aufgabe, Gefahren abzuwehren und schlimme Anschläge zu verhindern. Die Menschen in Deutschland können darauf vertrauen, dass sie hinreichend geschützt sind. Den Rechtsstaat macht aus, dass Unschuldige wieder frei kommen.AHA. So ist das also. In einem Rechtsstaat geht es nicht darum, dass Unschuldige nicht inhaftiert werden, sondern dass Unschuldige dann irgendwann wieder frei gelassen werden. Das erklärt auch vollumfänglich die Misshandlungen zum G8-Gipfel. Wow. Keine weiteren Fragen, Euer Ehren. Dem Schäuble muss man echt gar nicht mit Argumenten kommen, der redet sich auch von ganz alleine um Kopf und Kragen.
Witzigerweise regt sich dann der Mieterbund darüber auf, dass der zuständige Herr Schäuble hier "verfassungsrechtliche Grundkenntnisse vermissen" liesse. ACH NEE. Auch schon gemerkt? Blitzmerker!
Gefunden habe ich diese tolle Meldung in der besten Kolumne der Welt, WWWW bei Heise :-)
Wer Ausbildungsangebote terroristischer Vereinigungen nach Satz 2 wahrnimmt, die den in Absatz 1 und 2 genannten Zielen dienen, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.Das eigentlich schockierende ist ja, dass dieser Paragraph an sich gar nicht so schlimm ist, auch bisher nicht, weil man ja eigentlich erst relativ harte Dinge nachweisen müsste, bis der Anwendung finden kann, u.a.
wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.Das muss man ja erst mal nachweisen. Wenn man das nicht nachweisen kann, ist nur die Gründung einer Terroristischen Vereinigung verboten, nicht die bloße Mitgliedschaft.
Das Problem ist halt, dass sie diesen Paragraphen ungestört ohne jedweden auch nur Versuch eines Nachweises obiger Dinge anwenden, und der Richtervorbehalt ungefähr so viel Wert ist wie gebrauchtes Klopapier.
Ich frage mich ja wirklich, was für Leute CDU und SPD wählen. Die CDU tut ja nicht mal so, als wolle sie etwas anderes als das Volk verarschen, und die SPD macht da ein lächerliches Kasperletheater, das es einem schon beim Zuschauen peinlich ist.
Ich empfinde das als persönliche Beleidigung, daß sie mich für so blöde halten, daß sie so eine plumpe Strategie mit mir versuchen.
Und ich darf auch noch mal kurz daran erinnern, dass DIESER Mann unfreundlich wird, wenn man ihm Verfassungsbruch vorwirft. JA WEM DENN SONST?!