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Ich halte die Bezugnahme auf § 43 Jugendgerichtsgesetz (JGG) für eine Schutzbehauptung. Es ist richtig, dass die Lebens- und Familienverhältnisse von Jugendlichen (und NUR Jugendlichen!) ermittelt werden sollen. Ich halte es für sehr, sehr unüblich, dass die Polizei das macht. Erstens, weil sie gar nicht dafür ausgebildet ist, bei der Polizei arbeiten nämlich ausgebildete Polizisten und nicht ausgebildete Sozialarbeiter.Zweitens, weil die Polizei dafür gar nicht zuständig ist. Denn die "Erforschung der Persönlichkeit, der Entwicklung und des familiären, sozialen und wirtschaftlichen Hintergrundes des Jugendlichen" ist gemäß § 38 Abs. 2 S. 2 JGG Aufgabe der Jugendgerichtshilfe und die ist auch in Stuttgart Teil der Stadtverwaltung ("im Haus des Jugendrechts" sagt die Website der Stadt Stuttgart) und nicht der Landespolizei von Baden-Württemberg.
Soviel zur abstrakten Rechtslage. Zufällig arbeitet ein Schulfreund von mir bei der Jugendgerichtshilfe, zwar in NRW, aber so unterschiedlich dürfte die Handhabung nicht sein. Er ist von der Angelegenheit milde erstaunt. Dass jedenfalls die Polizei wie derzeit ihre Ermittlungen über das reine Tatgeschehen hinaus auf die familiären Umstände ausweitet hat er in der Form in seinem Bereich jedenfalls noch nicht erlebt und ist auch, siehe oben, der Auffassung, dass die Polizei da ihre Befugnisse überschreitet.
Solange mir also von Seiten der Polizei Baden-Württemberg niemand die Weisung der Jugendstaatsanwaltschaft oder das Amtshilfeersuchen der Jugendgerichtshilfe zeigt, in dem steht, dass bitte die Polizei die Ermittlungen zur Staatsangehörigkeit durchführen soll, stelle ich mir das Zustandekommen dieser Angelegenheit ungefähr wie folgt vor:
"Du, Erich?" "Joh?"
"Desch sin a gans schen viele Deitsche a dabei, gell?"
"Gell."
"Wolle mer doch amol sehn, ob die ned a Migrationshinnägrunnd ham, gell?"
"Joh! Ruf Du schonmol de Standesämtle im gannze Bundesgebied an, ich hol a Drollinger fürsch zum dringge beim tällefoniere, gell?"Ernsthaft, § 43 JGG ist da nur vorgeschoben. Die wollten die Statistik mit dem Migrationshintergrund aufpolieren. Ob die nun doch mehr "Ausländer" finden wollten, als sie nach Passlage haben oder ob sie damit irgendwelchen rechten Verschwörungstheorien (ist ja sehr beliebt in rechten Kreisen bei "Täter ist deutscher Staatsangehöriger" direkt zu schreien "Ja, der Täter vielleicht, aber sicher nicht der Ur-Ur-Urgroßvater seiner Tante dritten Grades! Ausländergewalt!1elf!") direkt vorbeugen wollen, ist mir übrigens gleichgültig. Das war meiner Auffassung nach schlicht nicht ihr Job.
Nachtrag: Jugendgerichtshilfe ist normalerweise bei den Jugendämtern im Kreis angesiedelt. Aber Stuttgart ist kreisfreie Stadt, daher Stadtverwaltung.