Fragen? Antworten! Siehe auch: Alternativlos
hier mal eine kurze Info von der Pflegefront: Ich arbeite als examinierter Altenpfleger im Stationären Bereich. Dort sind pro Schicht 1-2 examinierte Pflegefachkräfte und 2-5 Pflegehelfer/Pflegeassistenten für 34 Bewohner von Pflegestufe 2-4.An dieser Stelle übrigens mal meinen herzlichen Dank an alle Pflegekräfte. Ihr seid Helden! Lasst euch von niemandem was anderes erzählen!Die meiste Arbeit wird also von den Pflegehelfern verrichtet. Davon gibt es einige, die wollen eine 100% Stelle, bekommen aber nur 75%. Der Grund: Sie arbeiten am Tag nur 5,5 Stunden anstatt 7,5. Wenn sie am Tag 7,5 Stunden arbeiten könnten, würden sie es machen. Aber dafür ist kein Geld da.
Uns wurde angekündigt, dass es in Zukunft auch reichen würde, Stellen von examinierte Pflegefachkräfte durch Pflegehelfer zu ersetzen und ein Examinierter dann für zwei Wohnbereiche/Stationen zuständig ist. Also verantwortlich für ca. 68 Bewohner und dann nur noch schaut, die Aufgaben, die Pflegehelfer nicht machen dürfen, zu übernehmen. Medikamente bestellen, stellen, verteilen, Wundversorgung, Arztkontakte, Büro u.s.w.
Also, an Jens Spahn: Es gibt tatsächlich Menschen in der Pflege, die mehr arbeiten möchten, aber nicht dürfen.
Ich habe eine 75% Stelle, da ich keine Lust habe, nur ein Wochenende im Monat frei zu haben und 11 Tage am Stück zu arbeiten. Mit den 1500 Euro Netto komme ich auf Grund meines Lebensstils eines Bummelstudenten auch gut hin.
Update: Noch ein Leserbrief zur Pflegesituation. Falls jemand dachte, das da oben sei Altenpfleger-spezifisch und nicht verallgemeinerbar.
Auch im Berufsfeld der HeilerziehungspflegerInnen (HEP) ist die Situation äußerst prekär. Kernaufgabe ist in meinem Fall die Eingliederungshilfe für 20 Menschen mit Behinderungen und psychisch Erkrankter in teilstationärem Rahmen. Die Vollzeit- Ausbildung dauert in Hamburg 5 Jahre (2 Jahre sozialpädagogischer Assistent und drei Jahre HEP) und ist hauptsächlich pädagogisch-etwicklungspsychologisch orientiert. Die Kosten der Ausbildung in Höhe von € 160.- / Monat muss man selbst aufbringen. Nix mit Ausbildungsvergütung wie sonst in jedem anderen Lehrberuf üblich! Leider ist pädagogisches Arbeiten meißt jedoch nicht möglich, da pflegerische und hauswirtschaftliche Tätigkeiten mittlerweile zu den Kernaufgaben gehören.
Auch bei uns, dem größten Träger der Eingliederungshilfe in Norddeutschland werden grundsätzlich 30-Stunden-Stellen vergeben, da man "so flexibler einsetzbar" wäre. Wir machen Nachtschichten und arbeiten an mindesten 2 Wochenenden im Monat.Da auch bei uns der Fachkräftemangel enorm ist, arbeiten wir in unserem Haus mit ca. 40% ungelernten Abrufkräften, welche jedoch regelmäßig und dauerhaft in die Dienstplangestaltung eingebunden sind (in anderen Häusern ist es ähnlich, teils noch schlimmer).
Als ausgebildeter HEP erhält man ein Einstiegsgehalt von etwa € 1400.- Netto - Ungelernte erhalten mit allen Schichtzulagen weniger als € 1100.-. Davon kann man in einer Großstadt wie Hamburg kaum leben, liegt dieser Betrag doch unwesentlich über Hartz 4 - Niveau. Die Mitarbeiterfluktuation ist dementsprechend hoch (bei uns ca. 30 Mitarbeiter in knapp vier Jahren) - die meißten hören nach drei Monaten wieder auf und hartzen lieber. Da unsere Arbeit auf Vertrauen und Verlässlichkeit beruht, wird hier deutlich, dass eben dieses strukturell konterkariert wird.
Da es kein Vertretungskonzept gibt, kommt es nicht selten vor, dass man im Krankheitsfall eines Kollegen mehrmals im Monat Doppelschichten schieben muss, da auch die Zeitarbeitsfirmen nicht genügend Personal vorrätig haben. Der Krankenstand dreht sich immer um die 18%. Hier werden menschliche Wracks am laufenden Meter produziert.
Ja, komisch, Herr Spahn, wieso die alle "ihre Arbeitszeit verkürzt haben"! Ein Mysterium! Warum würden die Pflegekräfte das tun!!1!