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Ich bin chirurgische Assistenzärztin und arbeite seit 3,5 Jahren in einer großen Klinik, die letzten 1,5 Jahre 80%. Trotz der Arbeitszeitverkürzung bin ich im Schnitt zwischen 60-70 Stunden pro Woche auf Arbeit. Bezahlt wird das Teilzeitgehalt. Nebenbei habe ich Familie, und wir leben wie zumeist im Osten, das 2-Verdiener-Modell.Mehrere andere Leser berichteten aus Skandinavien, dass das glänzende System da auch nicht gold ist. Die Einsender waren sich einig, dann doch lieber bei uns krank werden zu wollen als dort.Das aufgrund der Frauen nachmittags die Stationen nicht mehr besetzt sind, hat vielleicht den einfachen Grund, dass immer noch häufig die Kolleginnen die Kinder von der 16:00 Uhr schließenden Kita abholen müssen. Ich kann das nicht und bin froh, das mein Mann das macht.
Zu den freien Landarzt-Stellen: es ist politisch gewollt und wird mit einer Menge Anreizen im Studium gelenkt, dass die Studenten als Allgemeinmediziner tätig werden, vorzugsweise auf dem Lande. Das vorherrschende Entgeltsystem mit Deckelung von Verordnungen und den umfangreichen Regressforderungen der Krankenkassen erstickt jedoch bei jedem Studenten, der seine potentiellen Dauerpatienten ein kleines bisschen kennt, jeden Elan im Keim. Was nützen Studienförderungen mit Büchertaschengeld und ein garantierter Arbeitsplatz, wenn ab dem ersten Betriebsjahr Regresse im meist fünfstelligen Bereich drohen? Dazu dürften Sorgen für weibliche Niedergelassene über ihren Verdienstausfall während Schwangerschaft und Elternzeit kommen, von der Verpflichtung zu Organisation und Bezahlung einer Vertretung ganz zu schweigen. Eine Niederlassung als Landarzt verbietet zur Zeit die Vernunft, insbesondere als Frau, die möglicherweise doch noch eine Familie gründen will.
Vielleicht ergänzt dass das Bild ein wenig. Nach meiner Erfahrung ist in Familien mit 2 ärztlich tätigen Eltern zur Zeit eine volle Stelle bei beiden Eltern unmöglich. Noch immer ist es meist die Frau, die dann die Arbeitszeit so verkürzt, dass sie mit den Betreuungszeiten der Einrichtungen gerade so vereinbar ist.
Ich finde das ja einigermaßen grotesk, einen Job mit 60-70 Wochenstunden als "Teilzeit" zu klassifizieren. WTF?