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Zu dem Argument, dass es viel mehr Fälle von nicht angezeigten und/oder nicht verfolgten Vergewaltigungen gibt, als es Fälle von falschen Anschuldigungen gibt, kann ich nur sagen, dass ich da, wie auch alle anderen Menschen, die Bedürfnishierarchie anlege. Mein Bedürfnis nach Gerechtigkeit für andere Menschen ist geringer als mein Bedürfnis nach meiner eigenen Unversehrtheit. So leid mir das tut, dass Vergewaltigung so schwer nachzuweisen ist, so wenig kann ich akzeptieren, dass wir dann halt die Nachweisschranke wegmachen. Ob die durch diesen Neuvorschlag von § 177 StGB weggemacht wird oder nicht, das ist mir zumindest bislang noch nicht klar. Die Meinungen meiner Leserschaft gehen da auch stark auseinander. Daher überwiegt bei meiner Entscheidungsfinding die Angst vor möglichen Szenarien, die mir zum Nachteil gereichen würden.
Ein Mail-Hinweis ging noch auf diesen Thomas-Fischer-Artikel ein, in dem er sich dediziert mit der Frage auseinandersetzt, ob es eine Schutzlücke gibt. Insbesondere diskutiert er, ob nach heutiger Rechtslage eine sexuelle Nötigung nur dann strafbar ist, wenn sich das Opfer körperlich wehrt oder der Täter Gewalt anwendet. Diese Behauptung ging hier gut ein Dutzend mal per Mail ein. Sie deckte sich nicht mit meinem Verständnis von § 177, aber was weiß ich schon über tatsächliche Rechtsprechung. Insofern sehr schön, dass der Fischer das mal aufdröselt:
Doch diese Behauptung ist falsch.
Update: Was mir übrigens auffällt in der Diskussion bisher: von allen Zuschriften, die sich für den Neuvorschlag von 177 StGB geäußert haben, hat nicht eine versucht, meine Befürchtungen auszuräumen. Alle haben "aber die armen Frauen" argumentiert. Das mag ein gültiges Argument sein, wenn man eine Frau ist, oder wenn man sich überhaupt nicht vorstellen kann, jemals Ziel einer falschen Vergewaltigungsanklage zu sein. Aber wenn ihr meine Stimme (und die Stimmen der anderen Männer in meiner Situation) haben wollt, dann müsst ihr uns die Angst nehmen. Oder (und das ist deutlich schwieriger) ihr müsst argumentieren, dass das Risiko es wert ist, weil unter dem neuen Gesetz dann die ganzen vergewaltigten Frauen endlich Gerechtigkeit erfahren können. Das ist ein schwieriges Argument, weil ihr damit so haushoch gewinnen müsst, dass ich in meiner Bedürfnishierarchie Stufen überspringe. Und von den Fakten her finde ich das im Moment noch alles andere als offensichtlich, dass mit einer Neuregelung mehr Vergewaltigungsopfer ihr Recht kriegen würden.
Update: Ein Zitat aus dem Fischer-Artikel finde ich noch wichtig:
Wer die Rechtspraxis der letzten 15 Jahre in Deutschland betrachtet, kann nicht auf den Gedanken kommen, sexuell motivierte Zwangshandlungen würden nicht genügend verfolgt oder bestraft. Niemals zuvor hat es eine solche Verfolgungsdichte und ein so hohes Strafniveau gegeben.
Oh. Ach?