Fragen? Antworten! Siehe auch: Alternativlos
Freiheit? Freiheit!(Anm.d.Red.: Klar erinnere ich mich daran! Aber dass das schon wieder 15 Jahre her ist, das hatte ich nicht auf dem Radar)Was hab ich mich schon über fefe geärgert. Und was hab ich schon den Kopf geschüttelt über fefes Blog. Über den Unsinn, den er da manchmal völlig unreflektiert und ungeprüft veröffentlicht. Und über User, die fefes Blog als alleinige und uneingeschränkt affirmativ nutzbare Informationsquelle betrachten.
Aber eigentlich ist das Quatsch. Ich hab mich nie wirklich geärgert. Zumindest nicht über fefe. Über die User schon.
Das ist es doch, was das Internet ausmacht, solange man sich nicht zu den Kreisen konservativer Kulturkritiker zählt: Dass jede/r veröffentlichen kann. Dass aber, andererseits, und das vergessen die lupenreinen Internet-Euphoriker: Dass jede/r selbst lernen muss, wie er mit welchen Infos im Netz umzugehen hat. Die Dialektik von Freiheit und Verantwortung, die sich nicht nur auf den Sender, sondern auch auf den Empfänger bezieht.
Es gibt eine lange Geschichte des konservativen Kulturpessimismus, der die Entwicklungen der Moderne in der jeweils aktuellen Ausprägung als Untergang eines wie auch immer gearteten Abendlandes analysierte, ja nahezu herbeiphantasierte. Der die moderne Technik als Verderben für die Gesellschaft interpretierte - was eine Zeitlang einen großen Teil dessen ausmachte, was in der Welt als deutsche Innen- und Rückwärtsgewandheit gesehen wurde. Vom Erstaunen über den Massenmenschen in den 20er Jahren bis hin zum algorithmisch beherrschten Netzmenschen heutiger Zeit reicht die Spanne, die derzeit hierzulande in immer schrilleren und apokalyptischeren Tönen zu hören ist. Dazu gehört nicht nur die Herrschaft der Algorithmen, die unsere Gehirne korrumpiert, sondern auch das Verderben durch das Netz, in dem doch tatsächlich jeder sagen kann, was er will - und dabei nicht auf bürgerliche Höflichkeitsgesten zurückgreifen muss.
Okay, ich werde polemisch. Aber fefes Blog ist sowohl eines der Gegenmittel gegen das Gift des sich am Netz aufreibenden Kulturpessimismus als auch seine Bestätigung. Genau deswegen ist fefes Blog eine Demonstration der Dialektik von Freiheit und Verantwortung, der sich keiner entziehen kann. Nicht fefe, nicht seine Leser, ich nicht und auch nicht alle Nutzer aus den Medien, die fefes Blog möglicherweise nur heimlich verarbeiten. Da, wo sich Konservative und Linke treffen, in einem Menschenbild, das den Menschen letztlich nur als von elitären Zirkeln oder vom dirigistischen Staat zu beschützendes Dummerchen sieht, da findet fefes Blog jedenfalls nicht statt.
Was hab ich mich schon über fefes freches Maul gefreut. Und was hab ich schon interessiert Links verfolgt, die fefe in seinem Blog gepostet hat. Also: Alles ist gut? Das vielleicht nicht. Aber alles wird gut. Würde gut. Wenn es mehr von dem kritischen Optimismus gäbe, den ich fefe eigentlich immer zuschreibe. Und mehr von Usern, die damit umzugehen verstehen.
PS.: Das gesagt, sei noch angemerkt: Wenn man sich mal ganz zurücknimmt, mit ruhigem Blick die Szene betrachtet, dann sind sich Sascha Lobo und fefe näher, als sie sich wechselseitig zugestehen wagen. Beide ziehen am selben Strang und in dieselbe Richtung, nur an unterschiedlichen Stellen. Internet-Apokalypse, my ass!
PPS.: Es ist ja schon einige Zeit her, dass ich das erste Mal mit fefe zu tun hatte. Ich weiß nicht, ob er sich selbst daran erinnert. Einen von mir verantworteten MP3-Artikel in der c't (ich war da recht frisch in Hannover) fand er gar nicht gut. Seine Kritik war teilweise berechtigt - und im gewohnt harschen fefe-Ton vorgetragen. Worauf ich ihm vorschlug, wenn er schon so rumtöne, solle er doch selbst einen Artikel für c't schreiben. In seiner Reaktion verspürte ich eine leichte Überraschung: Mag sein, dass er damit nicht gerechnet hatte. Das Ergebnis aber war ausgezeichnet: http://www.heise.de/artikel-archiv/ct/2000/03/130_Die-Kunst-des-Weglassens Und das ist jetzt auch schon ziemlich genau 15 Jahre her. Sozusagen ein Doppeljubiläum heute.
Jürgen Kuri, heise online/c't
Update: Ich hatte damals (wie auch sonst immer) beim Heise verhandelt, dass ich meine Rohfassung des Artikels online stellen darf, und sie ist auch seit dem 2. Dezember 1999 online.