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Und das war für mich auch der spannenste Teil an diesen NSA-Leuten und was sie zu sagen hatten. Die haben da 30-40 Jahre in diesem Umfeld gearbeitet, waren im SIGINT- und Datenbankauswerungsbereich tätig. Wenn jemand sehen kann, was das für eine massenhaften Verletzung von Menschenrechten ist, dann die. Und doch machen die da jahrelang mit. Ich hatte mir ja gedacht, wenn die da auf der Bühne stehen, dass die sich dann vielleicht ein "tut mir leid" oder so abringen können, denn Deutschland ist selbstverständlich auf der Liste der Länder, die die NSA abhört. Aber im Gegenteil hatte ich besonders bei dem ersten Whistleblower den Eindruck, dass dem gar nicht klar ist, dass er gerade nicht in den USA ist sondern in einem anderen Land, und während er sich auf der Bühne über die Ungeheuerlichkeit aufregt, dass Amerikaner jetzt abgehört werden, spricht er das Detail nicht an, dass alle im Publikum schon mehrere Dekaden lang auf der Liste standen, und weiterhin stehen. Soviel Empathie hatte ich erwartet. Selbst wenn man den Überwachungsstaat abschaltet, den die da kritisieren, dann wären wir Deutschen ja weiterhin Ziel für die "strategische Aufklärung", wie das ja auch der BND mit den Amis macht, und das ist selbstverständlich genau so verwerflich.
Aber in diese Richtung kam nicht der leisteste Anflug. Das war ein Niveau an kognitiver Dissonanz, das mich schockiert hat. Immerhin haben die ja persönlich jeweils mehrere Jahre lang Repressalien über sich ergehen lassen müssen, und wissen aus erster Hand, was das für Leute sind, die da die Finger auf den Daten haben — auf unseren Daten! Dass die Daten von ihren Freunden und Nachbarn da jetzt auch bei sind, das ist ein neues Phänomen. Aber das war das einzige, was sie daran aufregte.
Das wäre nicht so schockierend gewesen, wenn die da nicht so eine Indignation an den Tag gelegt hätten. WIE KÖNNEN DIE ES WAGEN, unsere Daten abzuhören!1!! Und sie beziehen sich neben US-Gesetzen auch ausdrücklich auf die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen. Aber den Schritt, dass die Menschen in anderen Ländern ja auch Menschenrechte haben, den ging da niemand.
Sehr beunruhigend. Gar nicht wegen dieser konkreten Leute, sondern zu sehen, wie sehr man sich da in eine gedankliche Ecke manövrieren kann, und beunruhigende Gedanken wie "meine ganze Karriere lang habe ich für diese Menschen gearbeitet" ausklammern kann. Und ich muss annehmen, dass mir das genau so ginge in deren Situation. Das ist der Aspekt, den ich am beunruhigensten finde an der Chose.
Der zweite NSA-Sprecher schein sich sogar im Kern gar nicht über die moralischen Probleme aufzuregen, sondern über die Vetternwirtschaft und ineffiziente Ressourcennutzung bei der Vergabe von Aufträgen. Die seien alle so inkompetent, sein Team habe das damals einfach machen können, aber man habe sie nicht gelassen, und jetzt koste das alles viel mehr und würde trotzdem nicht fertig. Man kann sich seine Whistleblower nicht aussuchen, aber das fand ich sehr ärmlich.