Fragen? Antworten! Siehe auch: Alternativlos
ich arbeite bei einem internationalen Logistikkonzern mit mehreren tausend LKWs und kann hier vielleicht einen Bogen zu den Einwürfen spannen, dass manche hier Probleme haben überhaupt Speditionsdienstleistungen (LKWs) beanspruchen zu können.Mein Arbeitgeber ist ziemlich tief in der Kontraktlogistik, wir machen für Firmen z.b. die komplette Lagerhaltung, Versandabwicklung usw. also einen recht großen Teil des Supply-Chain-Management. Z.b. hängen wir da bei unseren Kunden direkt in der Auftragsverwaltung mit unserer IT drinnen und beliefern die Just-In-Time mit den nötigen Teilen für deren Produktion, viele Kunden haben die komplette Lagerfläche zu uns Ausgelagert und wir halten je nach Kundenwunsch X Stück pro Artikel in unseren Lagern vor welche schon seit Monaten aus allen Nähten platzen.
Nun zu der eigentlichen Perversion und etwas "insight" zu solchen Geschäften.
Kein einziger unserer LKWs fährt irgendwo leer hin um etwas aufzuladen um dann halbgefüllt irgendwo wieder abzuladen. Wir sehen LKWs als rollende Lagerfläche und haben ziemlich ausgeklügelte Systeme damit ein LKW immer voll ist. Bevor ein LKW also halb gefüllt irgendwo hinfährt, befüllen wir die andere hälfte des LKWs mit Lagerbestand und kutschieren den "sinnlos" in der Weltgeschichte herum. Warum tun wir das? Bis zu einem gewissen Füllstand eines LKW mit Lagergut (variiert je nach Strecke/Dauer) ist der m²-Preis im "rollenden Lager" günstiger, als neue Lagerflächen zu kaufen. Ein Großteil unserer LKW-Flotte fährt bereits mit über 70 % Lagergut, heißt im Umkehrschluss, dass wir nur noch 30 % der Fläche pro LKW mit eigentlichen Speditionsaufgaben beschicken können, im Normalfall ist das Verhältnis eigentlich genau umgedreht und wir haben nach oben wohl immer noch Luft um noch mehr Lagergut profitabel in die LKWs "auszulagern", einer der Haupttreiber ist der immer weiter steigende m²-Preis für Boden in Mitteleuropa, daher verlegen wir immer mehr Lagerfläche in Billigländer der EU und zirkulieren dann mit den LKWs den Lagerbestand zu den Lagern nahe am Kunden in Mitteleuropa.
In Anbetracht der Klimakatastrophe ist das natürlich furchtbar. Verkürzt gesagt kann man behaupten, dass wir 70 % unseres hauseigenen LKW-Verkehrs und dessen Abgase der Allgemeinheit aufbürden, weil uns die Rollenden Lager trotz der Verschmutzung billiger kommen als neue Lagerflächen zu kaufen. Das ist Peak Kapitalismus und erklärt auch warum es zur zeit schwer ist einen LKW aufzutreiben, denn wir sind bei weitem nicht die einzigen Logistiker die das machen. Wenn du also das nächste mal einen LKW auf der Autobahn siehst kannst du davon ausgehen, dass der Großteil der Fracht überhaupt nicht dort hin muss, wo der LKW gerade hinfährt.
Ich arbeite bei [Unternehmen] in der regionalen Beschaffung. Wir beliefern unter anderem die Pharmaindustrie mit Geräten für die Impfstoffproduktion, sprich der Laden läuft wie noch nie.Die globalen Kollegen drehen fast durch, was Elektronikbeschaffung angeht, speziell Chips sind der Horror. Preise sind teilweise nur Stunden gültig, wer zuerst kommt bzw. am meisten zahlt, bekommt die Teile. Standardlieferzeiten für elektronische Bauteile bis zu 70 Wochen.
Andere Materialien, Metalle, Kunststoff, Verpackungen, egal in welcher Form, sind ebenfalls ein Alptraum, jedoch noch nicht ganz so schlimm. Es hält sich jedoch hartnäckig folgende Begründung:
Neben diversen Ursachen wie Holzkäfern, Texassturm, Wasserknappheit in Taiwan usw gibt es zwei Hauptprobleme:
Wenn du jetzt an deine Kunden liefern musst, weil du sonst eine Konventionalstrafe auf dem Tisch hast, zahlst du jeden Preis. Wenn nicht, hast du halt gerade einen Engpass.
- die Rohstoffhersteller haben ihre Kapazitäten zu weit runtergefahren und bekommen sie nicht mehr aufgebaut
- (meiner Meinung nach näher an der Wahrheit) Die Rohmaterialproduzenten, speziell im Metallbereich, mussten die letzten Jahre preislich immer untendurch. Und die nutzen jetzt gnadenlos aus, dass die Wirtschaft anzieht und halten die Kapazitäten knapp bzw. die Preise hoch und holen so die Verluste der letzten Jahre wieder rein.
Mit dem bisschen, was die Chinesen für andere Märkte übrig lassen, saniert sich im Moment die komplette Lieferkette.
zum Thema Peak Kapitalismus kann ich auch noch ein paar Sachen beitragen die Freude machen. Die chemische Industrie hat ganz ähnliche Probleme, sprich Lieferzeiten die früher mal 1-2 Wochen waren sind jetzt eher 10-20 und die Preise schießen durch die Decke seit Jahresanfang. Arbeite bei nem Wasch- und Reinigungsmittelhersteller und die Rohstoffe sind im Durchschnitt über alle Rohstoffe seit Januar diesen Jahres um 30% gestiegen. Das nimmt man aber hin, weil man aktuell froh ist überhaupt Rohstoffe zu bekommen.Boah welcher Depp kam nochmal auf die Idee, dass China Umweltschutz machen sollte?! Das macht uns die ganze Wirtschaft kaputt!!1!Immer mehr Rohstoffe werden auch unter Allokation gestellt. Ein großer Tensidhersteller hat das Jahr schon 2 mal Force Majeur (aka Produktionsausfall) gemeldet und in nächster Zeit wird es noch schlimmer, weil China in und um die Winterspielorte ihre Industrie stilllegt um die Luftqualität zu erreichen. Begonnen haben sie schon beim Phosphor und weitere Produkte werden folgen.
Viele Rohstoffe kommen/kamen aus Asien aufgrund niedriger Preise (selbst inkl Transport). Aber mittlerweile sind die Containerpreise exorbitant gestiegen (2020 haben wir etwa 700 - 1000 Euro pro Container aus China gezahlt, heute sind es ca 12000 Euro) und die Lieferzeit ist ungewiss. Und selbst wenn bis dahin alles geklappt hat, wird es aktuell schwer nen LKW zu finden der es vom Hafen zur Firma transportiert.
dazu kann ich auch noch einige Anekdoten aus meinem Umfeld beitragen:
- wir bekommen hin und wieder eine sperrige Lieferung per Spedition. Da gibt's wie auch bei DHL oder DPD einen Tracking-Link, um schauen zu können, wann die Fracht ankommt. Seit einiger Zeit steht da nach 2 Tagen nicht "unterwegs nach X", sondern "Lager voll", d.h. die bekommen das Zeug gar nicht erst auf die Straße...
- Dazu passend: der Betrieb in dem ein Kumpel arbeitet hat im Schnitt pro Tag 2 ganze LKW an Fracht versendet. Die Spedition (eine der größten) schickt aber nur noch einen. Also die nächste größere Spedition angerufen. Die wollten gar keine neuen Kunden, und holen nun gnädigerweise 4 Paletten pro Tag ab, also quasi nichts. Angeblich hat das auch damit zu tun, dass die großen Speditionen im ersten Lockdown die Bestellungen für neue LKW storniert haben, aber immer welche aus dem Leasing rauslaufen, kaputtgehen etc, diese Speditionen also immer weniger LKW zur Verfügung haben (auch wenn es auf der Autobahn nicht wirklich danach aussieht)
- Einige Automobilzulieferer haben sich, nachdem während des ersten Lockdowns die Hersteller von heute auf morgen gesagt haben, dass sie keine Ware mehr brauchen, in der Zwischenzeit Betätigungsfelder in anderen Branchen erschlossen. Wenn ein Daimler (der Name fiel in dem Zusammenhang des öfteren, aber nicht ausschließlich) jetzt wieder ankommt und sagt "ich brauche morgen wieder das Teil XY", springen diese Zulieferer nicht mehr über jeden Stock der ihnen hingehalten wird. Es liegt nicht alles an dem ominösen "Chipmangel", es ist teilweise auch eine Folge der Arroganz der Automobilhersteller, die ihre Zulieferer bis aufs letzte ausgequetscht haben mit den Preisen und just-in-time-Lieferbedingungen...
- Baustahl kann man kaum noch bezahlen, wenn es denn welchen gibt. Hat man welchen, und will da ein Teil verzinken lassen, werden dort teilweise auch die doppelten Preise aufgerufen. In dem Bereich gibt's zwar bei weitem nicht so eine Steigerung der Einkaufspreise, aber man kann's ja mal versuchen...
- braucht man etwas speziellere Schrauben, wird es schwierig. Selbst ein Laden mit ohnehin schon Mondpreisen aber grundsätzlich gutem Sortiment wie Würth hat (zumindest in den Filialen hier im Umkreis) halbleere Regale...
Wenn ich mir das alles anschaue, zusammen mit den anderen Meldungen zu dem Thema bei Dir heute, und auch sonst in den Medien, dann finde die die Theorie, dass die CDU die Wahl absichtlich verkackt, immer plausibler. Die Infrastruktur ist eh marode, und man bekommt nicht mal Material, um es reparieren zu können, selbst wenn man wollte. Sieht schon fast aus wie ein Wunder, dass wir es bis hierhin geschafft haben, aber wenn das so weitergeht, geht das ganz übel aus. Das soll dann mal gerne jemand anders ausbaden...
Peak Kapitalismus haben wir auch. Ein Familienmitglied wartet schon seit mehr als 6 Monaten auf seinen Neuwagen (deutscher Hersteller), jeden Monat wird die Lieferung um einen Monat verschoben, angeblich wegen Chipmangel.Und hier ein noch krasserer Leserbrief aus der Schweiz:
Daimler ist ja immer noch in einigen Werken in Kurzarbeit.
Küchenplanung haben wir jetzt auch erstmal abgebrochen, weil bei zu vielen Geräten Lieferzeiten noch nicht einmal genannt werden konnten.Ich musste mir letztens einen neuen Mülleimer für die Küche kaufen (so einer, der beim Türeöffnen mit rauskommt). Bauhaus: nicht vorrätig und nicht lieferbar. Hornbach: ebenso. Bei Obi habe ich dann den letzten bekommen. Mülleimer!
Frag mal die Industrie ob genug Holz da ist. Oder Papier. Oder oder oder...
Immerhin haben wir noch keine food shortage.
Ist hier in der Schweiz und Deutschland ähnlich.Anmerkung: Das ist ein Auto.
Dacia Sandero Stepway Automat kaufen? Lieferung in 8 Monaten (Schweiz).
Preis des Dacia Sandero Stepway Automat in Deutschland: Januar 2021: EUR 12'800, aktuell EUR 16'500 aufwärts.
Electrolux Geschirrspüler: 12 Wochen Lieferfrist.Er hing dann noch ein Update an:
Neue Einbauküchen von z.B. Schüller? Ab 2022 kriegst du Material geliefert, Produktion vollständig ausgelastet (oder ggf. Materialrückstand, keine Ahnung).Schalungsbretter für Betonierarbeiten? Im Mai hiess es: November 2021.
Brauchst du eine fertige Bau-Baracke? Ostern 2022.STIHL (die mit den Kettensägen) hat bei uns in der Schweiz 10 bzw. 15km von mir entfernt zwei Produktionsstandorte.
Vor ca. 3 Monaten haben die für Stahl bis zum 3-fachen(!!!) des Handelswertes bezahlt und anderen den Stahl weggekauft.
Grund: die Auftragsbücher sind so krass gefüllt dass sich für STIHL Lohnt den Aufschlag zu bezahlen um die Aufträge durchzuführen.
Die Arbeiter sind am Limit, es wurden gemäss zwei unabhängigen Personen zwischen 450 und 500 neue temporäre Angestellte (a.k.a. Leiharbeiter) eingestellt (was über 25% der Belegschaft ausmacht) und die Produktion läuft am Limit.Willst du ein Haus bauen? Preisdifferenz nur Material innert einem Jahr +10-13%.
Hast du das Material organisieren und bezahlen können? Keine Arbeiter.Lehrling im 3. Lehrjahr Elektriker (Bau) - darf offiziell maximal 45h arbeiten (normal 42 bis 42.5h).
Er fängt um 07:00 an, hört um 19:30 auf, Dreiviertelstunde Mittag, morgens und abends Pause.
Arbeitszeitkontrolle durch irgendein Amt bei einem 6 Mann Betrieb? Fehlanzeige.
Er kommt am Abend nach Hause, isst, und geht eventuell duschen (nicht immer) und klappt dann zusammen.Aktuell arbeitet er 55-60h pro Woche weil... Samstag gibt´s auch Arbeit vom Chef, das wird dann "anders" bezahlt.
Soviel zu diesem Thema.
Noch etwas (ja, ich war/bin am Umbauen und es war der schlechteste Zeitpunkt aber die Küche fiel auseinander):Heilige Scheiße!Vinylböden.
Bei der Produktion von Vinylböden wird ein Abfallprodukt aus der Flugbenzin / Kerosinraffinerie benötigt. Und da "dank" Corona weniger geflogen wurde gab es weniger Abfall. Es hatte nichts mit dem Texas-Kälteeinbruch anfangs Jahr zu tun.
Im April/Mai hiess es: Produkt XY haben wir nicht an Lager, sie können entweder die neue Lieferung ab August abwarten oder sie verbauen das Design AB, von dem haben wir noch soundsoviel an Lager.Im Umkreis von 400km konnte ich zum damaligen Zeitpunkt das letzte Palett organisieren, anstatt CHF 38/m² für CHF 62/m² - sprich 63% teurer...
Ich weiß nicht, wie das in Deutschland ist, aber in den USA sind wir gerade bei Peak Kapitalismus angekommen.Weia!Autoproduktion um die Hälfte reduziert wegen Mikrochips, d.h. Autohändler sind leer und für Gebrauchtwagen werden Mondpreise aufgerufen.
Der IKEA bei uns empfiehlt größere Einkäufe, wie eine komplette Kücheneinrichtung Schritt für Schritt zu machen, d.h. die Einzelteile über mehrere Monate verteilt zu kaufen, bis man alles zusammen hat, da nie alles auf einmal verfügbar ist. "Supply problems" seit mehr als 12 Monaten.
Die Spülmaschinenbestellung kann sich auch schonmal mehrere Monate verschieben, bevor die ankommt. "Microchip shortage"? "supply shortage"? Who knows.
Die Schulspeisung reduziert die Anzahl der angebotenen Mittagessen von 3 auf 1.5 wegen "national food shortage".
Und den Bus zur Schule können sie auch nicht mehr anbieten, "national driver shortage". Die reaktivieren jetzt Ruheständler, um das zu kompensieren.
Bauarbeiten, z.B., Badrenovierung, plant man jetzt für frühestens nächstes Jahr.
Bei Bauprojekten, die gerade laufen, muss man damit rechnen, dass alles 1-2 Monate später geliefert wird.
Update: Kumpels berichten mir gerade, dass sie bei IKEA in Deutschland auch keine Küche kaufen konnten, weil die ganzen Elektrogeräte nicht lieferbar sind, selbst wenn man versucht, sich die aus mehreren Filialen zusammenzuklauben.