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"Die Presidential Library von Ronald Reagan ist geschlossen. Jemand hat das Buch ausgeliehen."
Daran musste ich denken, als ich von dieser Infrastrukturapokalypse in Berlin las. RTW = Rettungswagen. Ja, richtig gelesen. Ein Rettungswagen war verfügbar. EINER. Für ganz Berlin.
Ein Glück, dass hier alle so gesund leben und keiner krank wird.
Update: Ein Leser klärt auf:
außer den Rettungswägen (RTW) gibt es auch noch Notarztwägen (NAW, das sind Rettungswägen, die einen Notarzt fest dabei haben), RTH (Rettungshubschrauber,i.d.R. ebenfalls mit festem Notarzt) und eine Vielzahl von Krankenwägen (KTW), die mit deutlich eingeschränktem Equipment und teilweise auch schlechter ausgebildetem Personal trotzdem grundsätzlich (zumindest ersatzweise) für Erstversorgung und Transport wenigstens der minder schweren Notfälle herangezogen werden können.
Knappheit von Rettungsmitteln ist weder selten noch "typisch Berlin". Die Ausstattung eines bestimmten Gebiets mit Rettungsmitteln wird von den Landesrettungsdienstgesetzen geregelt. Allen Gesetzen ist gemein, dass zunächst das Notfallaufkommen im betreffenden Gebiet ermittelt wird. Über einen bestimmten Schlüssel wird dann die Anzahl der Rettungsmittel bestimmt und zwar derart, dass voraussichtlich mindestens x Prozent aller Notfälle von einem geeigneten Rettungsmittel unmittelbar versorgt werden können.
Es wäre natürlich schön, wenn das genannte x immer bei 100 liegen würde. Weil aber das Notfallaufkommen zeitlich mitunter extrem ungleich verteilt ist, würde das bedeuten, dass man einen Haufen Rettungsmittel vorhalten müsste, die einen großen Teil ihrer Vorhaltungszeit überhaupt nicht gebraucht werden. Darum wird das x eben nie ganz bei 100 liegen und Episoden von Rettungsmittelknappheit sind somit evident.
Das ist schon schlimm genug, aber es geht noch weiter.
Ein weiteres Problem ist -meiner Meinung- die seit vielen Jahren eskalierende Indikationsstellung bei der Auswahl der Rettungs-/ bzw. Transportmittel durch die Rettungsleitstellen. Nach meiner Erfahrung gab es seit den 80er Jahren einen stetigen Trend, für den gleichen Notfall (resp. Krankheitsfall) immer höherwertige Rettungsmittel zu schicken. Zu einem Teil lag das sicher auch am medizinischen Fortschritt, verschiedene Krankheitsbilder (z.B. Herzinfarkt), profitierten zunehmend von einer schnellen und qualifizierten Notfallversorgung vor Ort.
Daneben spielt aber auch eine große Rolle, das die Leitstellendisponenten sich mehr und mehr medikolegal bedroht sahen/sehen, im Sinne von "Wenn ihr gleich einen NAW geschickt hättet, könnte der Patient XY noch leben". Im Zweifel (und Zweifel hat man nach einem Telefonat mit einem aufgeregten medizinischen Laien immer!) wurde und wird also immer häufiger das höherwertige Rettungsmittel geschickt und steht dann halt auch nicht mehr zur Verfügung.
In meiner Praxis als Notarzt hat das dazu geführt dass (nach meiner Einschätzung) die Entsendung des NAW in höchstens 20% der Fälle dann - retrospektiv! - eindeutig gerechtfertigt ist. Es gibt mitunter groteske Situationen, z.B. wenn einem nach 20 km Blaulichtfahrt der "Notfallpatient" dann mit fertig gepacktem Koffer in der Hand ganz entspannt selbst die Türe öffnet und sich über den Aufruhr wundert.
Update: War ja klar. Jetzt schreibt ein anderer Leser, dass er das anders sieht:
Ein RTW ist primär für die Rettung vorgesehen. Die Besatzung besteht aus zwei Leuten (Rettungssanitäter, Rettungsassistenten etc.) oder bei Ausbildung auch drei. Das Fahrzeug ist aufgrund der Größe geeignet, praktisch ale Rettungsmaßnahmen durchführen zu können. Man kann aufrecht stehen, um die Trage herum gehen und problemlos die meisten Notfallmaßnahmen bis hin zur Wiederbelebung durchführen.
Ein RTW rückt üblicherweise von der Rettungsleitstelle zum Notfallort aus. Und üblicherweise wird der Notarzt mit einem NEF (Notarzteinsatzfahrzeug) von seinem "Dienstkrankenhaus" zum Notfallort gebracht. Das wird auch "Rendezvous" genannt. Wenn er dann mit der Besatzung des RTW in diesem zum Krankenhaus fährt, dann wird auch dieser RTW zum NAW (weil ja ein NA mitfährt).
Ein "permanenter" NAW ist aber seltener anzutreffen als die Rendezvous-Lösung, weil dazu der NAW im Krankenhaus stationiert sein müsste, wo auch der NA ist. Meist sind RTWs aber bei ihren Rettungsleitstellen stationiert. Und ein RTH hat - wie man sich leicht denken kann - gewisse Beschränkungen, so dass er nicht überall eingesetzt werden kann.
Ein KTW hingegen ist nicht zur Rettung gedacht, sondern für Sekundärtransporte wie beispielsweise stationäre Patienten, die zur Untersuchung oder Therapie oder einfach nur zur Überführung in ein anderes Krankenhaus oder eine andere Einrichtung gebracht werden. Für den Notfall ist ein KTW natürlich auch mit Notfallkoffer, Defi etc. ausgerüstet, aber Rettungsmaßnahmen können darin schwerlich durchgeführt werden, weil man nicht aufrecht stehen und um die Trage herumlaufen kann und meist auch nur einer der Besatzung guten Zugang zum Patienten hat. Von Rettungsleistellen werden auch KEINE KTW zur Rettung herausgeschickt. Fassen wir zusammen: NAW sind nicht häufig anzutreffen, RTH eingeschränkt nutzbar und KTW nicht für Rettung geeignet. Es ist also Augenwischerei, zu sagen: Neben den RTW gibt es ja noch andere Möglichkeiten. Fakt ist, es wurde zuviel eingespart und wir laufen am Limit.
(Danke, Philipp)