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Geht natürlich eigentlich nicht um Threema und Signal sondern um Instagram und Snapchat und co. Die sollen daran gehindert werden, per Netzwerkeffekt zu wachsen. Ab einer gewissen Größe ziehen Plattformen von sich aus neue Nutzer an, die da gar nicht hinwollten, aber ihre Freunde sind halt da, also machen sie da auch einen Account auf.
Auf der einen Seite finde ich das grundsätzlich eine gute Idee, Netzwerkeffekte zu unterbrechen, und Föderation halte ich auch grundsätzlich für eine gute Idee. ALLERDINGS gehe ich an sowas immer aus Security-Sicht ran, und da ist das gar nicht so klar, ob das eine gute Idee ist.
Erstens verwenden z.B. Telegram und Signal völlig andere kryptografische Protokolle mit anderen Designzielen. Bei Signal war wichtig, dass auf Serverseite möglichst wenig bis gar keine Daten anfallen, insbesondere nicht die Inhalte der Konversationen ihrer Nutzer. Bei Telegram gibt es m.W. keine Ende-zu-Ende-Krypto, d.h. die Server können alle Inhalte sehen. Außerdem verwenden die laut eines aktuellen Reversing-Vortrags, von dem ich einen Screenshot sah, Textbook-RSA und SHA-1. SHA-1 ist anderswo schon länger rausgeflogen.
Wenn also sagen wir ein Dissident in Saudi Arabien einen Signal-Account gemacht hat, weil er auf das von Signal gebotene Datenschutzniveau angewiesen ist, dann könnte es passieren, dass er beim Kommunizieren mit Leuten das Niveau senkt und das dann am Ende vielleicht mit seiner Freiheit oder seinem Leben bezahlen muss.
Ich könnte mir das sogar prima als gezielten Angriff vorstellen. Sagen wir mal, das BKA baut einen eigenen Messenger. Nicht mit dem Ziel, dass den irgendjemand bei Verstand benutzt. Mit dem Ziel, dann über den Föderationszwang Signal zu zwingen, mit ihnen zu interoperieren, und dabei die Krypto zu schwächen. Da müsste man sehr vorsichtig sein mit Formulierung und Umsetzung des Gesetzes. Nehmen wir mal an, das BKA schickt dann mit diesem trojanischen Messenger mir eine Nachricht, und ich setze eigentlich einen ordentlichen Messenger ein. Ist dann sichergestellt, dass ich sehen kann, dass das der trojanische Messenger ist?
Nehmt z.B. Metadaten wie "ist online". Messenger können auch Location-Daten einsammeln. Bei ordentlichen Messengern ist das üblich, dass man keine Metadaten zu einem Account sehen kann, außer der Account hat zugestimmt. Könnte man solche Regelungen über den Föderationszwang umgehen? So ala "beim BKA-Messenger kann jeder alles sehen, also müsst ihr uns auch Zugriff auf alle Metadaten aller eurer User geben" oder so?
Dann wird sicher ein Albtraum, das im UI klar darzustellen. Achtung: Dieser Friend Request kommt nicht aus unserem Netz sondern vom BKA-Messengernetz.
Denn eigentlich will man das natürlich nicht haben, wenn das Ziel war, Instagram zum Aufbrechen ihrer Netze zu zwingen. Sonst ist ja der Netzwerkeffekt nicht gebrochen, wenn Instagram da einfach immer ranschreiben kann: Achtung ist unsicher, nicht zustimmen.
Man könnte das wahrscheinlich schon grundsätzlich machen, aber das würde bei allen Nutzern eine deutliche Steigerung der IT-Kompetenz voraussetzen, und Einarbeitung. Das ist das Gegenteil des Status Quo und niemand wird Bock haben, sich da in irgendwas einzuarbeiten.
Außerdem gibt es natürlich die Spam-Problematik. In der Sekunde, in der die Netze geöffnet werden, werden Spammer nicht mehr Captchas brechen müssen, um Accounts anzulegen, sondern sie können einfach einen Chatserver aufsetzen und von Instagram und co Anschluss verlangen, und dann so die Leute vollspammen. Wenn man Instagram erlaubt, Spam-Nachrichten nicht zuzustellen, dann wird Instagram natürlich immer in die falsche Richtung irren, denn die verdienen da ja nichts mit, wenn sie irgendwelche Nachrichten von irgendwelchen anderen Netzen zustellen. Da haben die ja erstmal nur Ärger und Kosten mit.
So gesehen bin ich mir nicht sicher, ob man das mit einem Gesetz überhaupt ordentlich regeln kann.
Außerdem ist ja das Niveau der User-Authentisierung ein ganz anderes zwischen Messenger-Diensten. Einige haben eine Telefonnummer von jedem User, andere haben einen Klarnamen (mehr oder weniger geprüft, eher weniger), noch anderer haben gar nichts. Wenn ich mir einen Account bei einem voll pseudonymen föderierten Chatsystem anlege, dann weiß ich ja, worauf ich mich einlasse, und ich verbringe am Ende den Hauptteil meiner Zeit damit, irgendwelche Blocklisten zu pflegen, oder gleich ganze Server aus der Föderation gar nicht reinzulassen. Am anderen Ende des Spektrums stelle ich mir ein Chatsystem einer Schule vor. Fallen die auch unter den Föderationszwang dann? Ja wohl eher nicht, oder?
Feiert diese Idee mal bitte nicht vorschnell. Bevor klar ist, wie da die Details aussehen. Sonst haben wir am Ende die nächste Cookie-Terrorbanner-Bullshitregulierung der EU, die voll nach hinten losgeht.