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Neben der Frage, ob das überhaupt akzeptabel ist, wenn der Staat so eine Aktion durchführt (in diesem Fall war es nicht unser Staat sondern die Franzosen und die Niederländer, wenn ich mich recht erinnere), gibt es da noch zwei weitere Probleme.
Erstens: Für Abhörmaßnahmen braucht man normalerweise einen richterlichen Beschluss, und für den braucht es einen Anfangsverdacht. In diesem Fall war der Anfangsverdacht "der hat verschlüsselt kommuniziert". Das ist ja schon ein bisschen dünn, würde ich denken, denn ich empfange und sende ja auch lauter verschlüsselte Mails. Rechtfertigt das jetzt auch bei mir eine Hausdurchsuchung oder was!?
Zweitens: Kann man eine Hausdurchsuchung alleine mit entschlüsselten Chatnachrichten begründen? Auch wenn die (nach deutschem Recht) illegal erlangt wurden? Das ist bei uns leider nicht ordentlich rechtlich festgeschrieben, dass Beweise aus illegaler Quelle grundsätzlich nicht verwendbar sind.
Nun, es gab da jetzt einige Gerichtsverfahren übers ganze Land verteilt, und die meisten Gerichte fanden das schon OK, wenn man Drogendealer aus dem Verkehr zieht. Wer braucht schon Beweise! Wenn die Bullen sagen, das ist ein Drogendealer, dann wird das schon stimmen. Illegal erlangte Beweise? *Gähn*! Was kommt als nächstes, dass jemand auf seine Grundrechte pocht?!
Aber jetzt gab es ein Gericht, das ausscherte. Das Landgericht Berlin hat die Eröffnung eines Hauptverfahren abgelehnt. Begründung:
Die Anklage der Staatsanwaltschaft stütze sich im Wesentlichen nur auf die über Encrochat geführte Kommunikation des Angeschuldigten, so die Richter. Die Tatvorwürfe in dem Fall seien jedoch allein mit den geheimen Chats nicht zu belegen. Die Daten unterlägen einem generellen Verwertungsverbot, entschied das Landgericht.Das klingt jetzt besser als es ist. Die haben nicht gesagt, dass solche "Beweise" generell nicht verwertbar sind, sondern erstmal nur in diesem Fall, wo aus Sicht der Richter die Chats nicht ausreichend inkriminierend sind.
Besonders bemerkenswert: Mehr hatten die nicht. Und es ist auch nicht so, dass die Franzosen ihre entschlüsselten Nachrichten ungebeten nach Deutschland geschickt haben. Nein, nein. Die Deutschen haben geguckt, wer auf der Liste der Encrochat-User aus Deutschland kam, und dann deren Nachrichten angefordert. Damit praktisch über Bande die Rechte der Leute verletzt, indem sie Dinge, die sie selbst nicht hätten tun dürfen, einfach die Franzosen machen ließen.
Das fand das Gericht dann doch recht dünn, und brachte diese tolle Analogie:
In der Begründung liefern die Richter ein Beispiel: Trage eine Person eine Brechstange mit sich, reiche das auch noch nicht für eine Durchsuchung wegen eines möglichen Einbruchs.Das klingt jetzt noch nicht sonderlich revolutionär, aber es ist praktisch einzigartig. Dass ein Gericht der Polizei ein Beweisverwertungsverbot ausspricht, kommt so gut wie nie vor. Entsprechend in Panik sind jetzt die Cops:
»Sollte diese Entscheidung des Landgerichts Bestand haben und zukünftig als Vorbild in anderen Verfahren gelten, können wir den Laden auch gleich dichtmachen«, sagt ein Kriminalbeamter.Ja, äh, pass uff, Atze, lass mich euch einen Vorschlag machen. Wie wäre es, wenn ihr ... Polizeiarbeit macht? Ihr wisst schon! Ermitteln! Wofür ihr bezahlt werden! Leute beim Drogendealen in flagranti erwischen!
Oder, wenn ich mal ein bisschen unrealistisch werden darf: Euch mal um richtige Kriminalität kümmern. Fahrraddiebstähle. Einbrüche. Räuber. Steuerhinterzieher! (Danke, Peter)