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Heise bezeichnet Taler als "Bargeld" oder "Digitales Zentralbankgeld" und sieht einen Widerspruch zu den Aussagen der Zentralbank Schwedens, die öffentlich angesagt hat, dass Privatsphäre wie bei Bargeld mit Digital-Bargeldsystemen nicht geht.
Daher ist es mir wichtig, an dieser Stelle mal kurz darauf hinzuweisen, dass GNU Taler kein Bargeld ist, sondern ein Bezahlsystem. Taler ist sowas wie der europäische Gegenentwurf zu Bitcoin.
Bitcoin ist ein erzlibertäres Projekt, das den Staat als Feind sieht und aus Geld-Transaktionen heraushalten will. Bitcoin will explizit Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Sanction Busting ermöglichen, und ist vor allem deshalb populär, weil Nordkorea Sanktionen umgehen möchte, und weil Chinesen staatliche Währungskontrolle umgehen wollen.
Taler ist überhaupt nicht libertär und will weder die Zentralbank noch den Euro ersetzen. Taler ist sogar explizit darauf ausgelegt, sich nicht für Steuerhinterziehung oder Verbrechen zu eignen. Taler ist überhaupt keine eigene Währung, auch wenn es da "Münzen" gibt. Die sind dann nicht "1 Taler" sondern "80 Euro". Es gibt keine Wechselkurspekulationen, keine Münzknappheit, und zum Herausgeben von Münzen braucht man keine "Miner", die sinnlos Strom in Wärme umwandeln.
Das sollte man sich eher wie einen Scheck vorstellen.
Du willst irgendwo etwas kaufen, das kostet 80 Euro. Du gehst zu deiner Bank und holst dir ein Token über 80 Euro ab. Die Bank überweist 80 Euro von deinem Konto auf ein Treuhandkonto. Das Token gibst du dem Händler. Der geht damit sofort zu seiner Bank. Durch mathematische Trickserei kann die Bank bei der Einlösung zwar die Gültigkeit prüfen, aber nicht sehen, wem sie das ausgestellt hatte. Der erste, der das einlöst, kriegt 80 Euro vom Treuhänderkonto überwiesen.
Händler können dem Finanzamt keine Transaktionen verheimlichen, und da das Wallet an ein Konto geknüpft ist, kann der Händler auch nicht abstreiten, dass das sein Wallet ist. Der Händler kann auch nicht die Münze einfach bei sich rumliegen lassen und damit später woanders bezahlen gehen, weil erst beim Einlösen auffällt, dass die Münze gefälscht war oder damit schon jemand woanders bezahlt hat.
Kurz gesagt: Die Schweden haben Recht, aber das ist nicht notwendigerweise ein Problem. Ist alles eine Frage dessen, was man erreichen wollte.
Man kann ein Bezahlsystem bauen, das die Privatsphäre des Käufers schützt, aber auf Händlerseite Betrug verhindert, und das sich für Spekulationen nicht eignet.
GNU Taler richtet sich nicht an Leute, die Fiat-Geld oder den Banken oder der Eurozone oder der Regierung misstrauen. Es hat keinen Vorteil, sein Erspartes in Form von Taler-Tokens herumliegen zu haben anstatt auf dem Bankkonto, weil es keinen Wechselkurs gibt. So ein Wallet kann immer noch geklaut werden oder verloren gehen, aber du verlierst dann nicht wie bei Bitcoin dein Vermögen sondern nur das Kleingeld, das du gerade in der Tasche hattest.
Ich glaube übrigens, dass man hier ganz gut einen der fundamentalen Unterschiede in der Perspektive zwischen den USA / Silicon Valley und Europa sieht. Wenn Amerikaner glauben, dass alles vor die Hunde geht, kaufen sie eine Schusswaffe und legen ihr Vermögen in Gold an. Wenn "das System" nicht funktioniert, dann bauen Amerikaner halt ein neues System, und scheiß auf das alte, der Markt wird das schon regeln. Europäer sind eher der Meinung, dass man dann halt das System reparieren muss.
Der Effekt ist, dass den Amerikanern ihr Legacy-System unterm Arsch wegbröselt, weil da keiner mehr Energie in den Erhalt investiert. Und bei uns ist der Effekt, dass wir immer krasser verkrustende Verwaltungsapparate haben, und die Energie vollständig im Erhalt der Systeme verpufft und am Ende nichts repariert wird und so gut wie nie irgendwas tatsächlich messbar besser wird.
Die Innovationen der Amis sehen auch ein paar Jahren super aus, aber dann kollidieren ihre Ideale mit der Realität und die Politik fängt zu regulieren an und dann wird der Hoffnungsträger von gestern doch ganz schnell zur Legacy von heute.
Theoretisch könnte man übrigens auch GNU Taler mit Bitcoin als unterliegender Währung machen. *kopfexplodier*