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Einige schreiben mir, sie hätten ja grundsätzlich nichts gegen Impfungen, aber trauen diesem mRNA- und Vektor-Zeug nicht, wollen lieber eine traditionelle Impfung mit Totimpfstoff. Offenbar gibt es da eine, die aber noch keine Zulassung hat.
Ich glaube, dem liegt dasselbe Denkmodell zugrunde, das auch Leute anwenden, die Öko-Hausmittel statt "Chemie" haben wollen. Ich habe mich mal vor vielen Jahren (ich war noch unter 20) mit einem Arzt unterhalten, der meinte, dieses Öko-natürlich-Ding sei ja ein attraktiver Gedanke, aber du musst dir halt überlegen, dass Wirkstoffe auch Nebenwirkungen haben. In einem chemischen Medikament ist ein Wirkstoff drin. In einem traditionellen Hausmittel aus Kräutern und Wurzeln sind es Tausende, davon die meisten nicht ordentlich erforscht, und dazu kommen dann vielleicht noch Verunreinigungen durch Pestizide und so weiter.
Aber ist natürlich nicht gut, fragte ich?
Er meinte dann: Natürliche Lebenserwartung von Menschen ist 30 Jahre. Da wäre der Arzt schon Jahre tot gewesen.
Andere schreiben mir, die Zahlen für die Nebenwirkungen seien gar nicht vergleichbar, denn Impfungen bekämen ja alle und die Nebenwirkungen nach Covid kommen ja nur nach einer Erkrankung, nicht nur nach einer Infektion, und Erkrankung sei ja viel seltener als Infektion. Da weiß ich im Moment nicht, ob das stimmt, oder wen man da fragen könnte. Insofern lasse ich das mal offen. Wer da mehr weiß, kann mir ja eine Mail schreiben, das hänge ich dann als Update an.
Viele Impfgegner haben große Angst vor Nebenwirkungen der Impfung und verweisen auf den aktuellen Bericht des Paul-Ehrlich-Instituts. Es gibt zwei große Hürden bei solchen Berichten. Der erste ist, dass man in solche Berechnungen mit einer guten Datenbasis reingehen muss, und die zweite ist, dass man als Leser die Daten interpretieren können muss, um zu prüfen, was für Schlussfolgerungen sich ziehen lassen.
In diesem Fall ist beides ein Problem. Die Zahlenbasis ist nämlich nicht etwa Krankenhausärzte, die anonymisiert Diagnoseergebnisse melden, sondern das sind Selbstmeldungen von Betroffenen per App. Wenn also bei der App jemand klickt, ihm sei nach der Impfung ein Bein abgefallen, dann landet das so direkt in der Datenbank, aus der dieser Bericht erstellt wird. Nun haben Patienten ja nicht direkt einen Anreiz zum Lügen, aber das ist trotzdem wichtig. Das PEI formuliert es so (Sektion 7.1, Methodik):
Dabei ist jedoch zu beachten, dass unerwünschte Reaktionen im zeitlichen, nicht aber unbedingt im ursächlichen Zusammenhang mit einer Impfung gemeldet werden.Nur weil du nach der Impfung Kopfweh gekriegt hast, heißt das nicht, dass das was mit der Impfung zu tun hatte. Warum erheben die diese Daten dann, wenn die so schlecht sind? Weil sie Trends erkennen wollen, denen man dann mit gezielten Studien hinterherforschen kann.
Das nächste Problem ist die Interpretation der Daten. Die Zahl der gemeldeten unerwünschten Nebenwirkungen wirkt auf den ersten Blick recht hoch. In Sektion 4.4 gibt es eine Übersicht. Da sieht man: Eine der häufigsten Beschwerden ist Fieber. Fieber ist keine Nebenwirkung. Fieber ist die Hauptwirkung der Impfung. Fieber heißt, dass das Immunsystem den Impfstoff wie gewünscht erkannt hat und antwortet. Ob das intern bleibt oder sich extern als Fieber messen lässt, hängt davon ab, welcher Teil des Immunsystems wie stark reagiert. "Lokale Reaktion" und "Reaktion an der Impfstelle" sind auch normal und zu erwarten. Mein Lieblingssysmptom ist "Ermüdung". In der heutigen Zeit sind eigentlich alle immer ermüdet. Mit oder ohne Impfung.
Anderes Beispiel, Sektion 4.6. Todesfälle. Da kommen die Impfgegner mit: "1254 sind an der Impfung gestorben!!1!" Im Original liest sich das so:
In 1.254 Verdachtsfallmeldungen wurde über einen tödlichen Ausgang in unterschiedlichem zeitlichem Abstand zur Impfung berichtet. In 48 Fällen hält das Paul-Ehrlich-Institut einen ursächlichen Zusammenhang mit der jeweiligen COVID-19-Impfung für möglich oder wahrscheinlich.Da dampft sich der Gegenstand der Empörung recht schnell zusammen. Und "möglich oder wahrscheinlich" ist jetzt auch noch nicht so eindeutig, dass man von "starb an der Impfung" reden kann.
Die nächste Frage ist: Nehmen wir an, nach der Impfung haben 100 Leute einen Herzinfarkt. Das heißt ja auch noch nicht, dass die Impfung schlecht ist, selbst wenn man eine Verbindung nachweisen könnte. Man muss vielmehr gucken, wie viele Leute in der Altersgruppe umgerechnet auf die Anzahl der Geimpften natürlich an Herzinfarkt verstorben wären. Das Paul-Ehrlich-Institut macht dafür sogenannte "Observed-vs-Expected"-Berechnungen, d.h. rechnet aus, wieviel Fälle sie rein statistisch erwartet haben, und vergleicht das dann mit der Anzahl der tatsächlichen Fälle. Tabelle 3 in Sektion 4.6 macht das. Und weil wir es hier mit seriösen Wissenschaftlern zu tun haben, geben sie auch Konfidenzintervalle an. Wer nicht weiß, was ein Konfidenzintervall ist, sollte sich eigentlich auch keine öffentliche Interpretationen dieser Daten erlauben.
Ein weiteres Problem ist, wann du einen Schaden als "bleibenden Schaden" wertest. Im Moment bestimmt das der Bediener der Melde-App. So und jetzt geht mal in euch und fragt euch, wie wahrscheinlich das ist, dass jemand mit sagen wir Gliederschmerzen nochmal die App aufmacht, wenn die wieder weg sind, und das auch meldet? Weniger als 100%, da sind wir uns hoffentlich einig.
Besonders spannend in dem Bericht finde ich persönlich Sektion 4.1, da haben sie die Beschwerden nach Geschlecht aufgeteilt. Die Diskrepanzen sind enorm und werden im Text nicht weiter erläutert. Über die Ursachen kann man natürlich prächtig spekulieren jetzt. Z.B.: Frauen werden älter, Alte haben mehr Wehwehchen, Alte wurden zuerst geimpft, also mehr Frauen unter den Geimpften. Stimmt das? Keine Ahnung! Spekulation!
Viele der Beschwerden von Frauen beziehen sich offenbar auf deren Regelblutung. Kann das daran liegen, dass eine Impfung stressig ist? Wenn eine Frau einmalig eine zusätzliche Regelblutung kriegt, ist das dann ... schlimm? Ein bleibender Schaden?
Will sagen: Das ist alles nicht so klar, wie man das zu bewerten hat. Daher veröffentlicht dieser Bericht viele der Zahlen auch einfach so, ohne da groß herumzuinterpretieren.
Ich möchte gerne noch auf den Aspekt hinweisen, dass wir ja auch Presseberichterstattung hatten, besonders zu den Herzmuskelentzündungen. Die gibt es auch bei anderen Impfungen. Aber bei der Grippeimpfung waren nicht wochenlang die Zeitungen voll damit, was da die Symptome sind. Und was für tolle Symptome das waren! Ein Symptom war: Herzklopfen! Ja, äh, hab ich!!1! Schnell, rette mich jemand! Erschöpfung! Atemnot bei Anstrengungen! Schmerzen hinter dem Brustbein! Gut, letzteres kann auch ein Symptom von einer Blähung sein. Will sagen: Wenn du in den Zeitungen so eine Liste veröffentlichst, natürlich diagnostizieren dann alle bei sich eine Myokarditis! Dieselben Symptome hätten bei einer Grippeimpfung wahrscheinlich nicht zu einer Meldung geführt.
Ich will das Risiko nicht kleinreden, aber seltene Krankheiten sind selten.
Update: Ein Leser wendet ein:
Myokarditis Meldungen ans PEI erfolgen nicht über das Verbraucher Onlineportal sondern nur durch Ärzte da es sich hierbei um Impfkomplikation handelt welche im §6 Abs. 1, Nr. 3 IfSG geregelt ist!
Update: Auch die Todesfälle werden vermutlich keine Selbstanzeigen sein :-)