Fragen? Antworten! Siehe auch: Alternativlos
Peterson hat unter anderem Vorlesungen von sich auf Youtube veröffentlicht, und deckt von Lebenshilfe (was ich als Selbsthilfe-Ratschläge aus Ratgeber-Büchern im Grabbelkasten neben der Kasse im Buchhandel klassifizieren würde) über Kunstgeschichte und Philosophie ein sehr breites Spektrum ab.
Peterson hat sich aber mit seinem Widerstand gegen ein Gesetz in Kanada Feinde gemacht, das ihm vorschreibt, mit welchen Worten er Transgender-Menschen ansprechen soll. Da wurde er Hardcore-Free-Speech-Advokat und wurde bissig (weil er fand, dass das in einem Gesetz nichts zu suchen hat, und kein Gesetz vorschreiben darf, welche Wörter wir benutzen, nicht weil er was gegen die Pronomen hatte) und seit dem verfolgt ihn ein Lynchmob. Ein paar Blogger in den USA haben ihn dann auch mal interviewt, aber der war bisher nur auf der anderen Seite des Atlantik aktiv. Bis jetzt. Jetzt hat ihn Channel 4 interviewt, das ist der größte Privatfernsehkanal in Großbritannien. Und dieses halbstündige Interview ist eine hervorragende Übung in Medienkompetenz und Journalismus. Ich würde sogar soweit gehen, dass man das jedem Journalisten in der Ausbildung zeigen sollte.
Anlass für seinen Besuch in UK ist wohl ein neues Buch, für das er jetzt die Werbetrommel rührt. Aber für mich ist das ein Zeichen, dass diese gesamte hasserfüllte Lynchmob-Gemengelage jetzt rüberschwappt aus Amerika. Bisher konnte man sich ja ein bisschen zurücklehnen und sich einreden, das sei bloß ein Problem an US-amerikanischen Universitäten. Sowas wie das Google-Memo betraf uns hier in Europa bisher nicht so. Das ist jetzt glaube ich vorbei.
Bei der BBC im Radio war Peterson auch. Es wirkt so, als hätten die Feministen spontan eine Warteschlange gebildet, um sich an ihm abzuarbeiten.
Jedenfalls, warum ich das Channel-4-Video empfehle: Das ist einer der wenigen mir bekannten Fälle, wo ein Akademiker, über dessen Arbeit berichtet wird, daneben sitzt und Gelegenheit hat, jeder Falschdarstellung direkt zu widersprechen. Journalismus versucht häufig, komplexe Zusammenhänge auf einfache Formeln runterzubrechen, damit das Publikum dem folgen kann. Typische journalistische Berichterstattung über Forschungsergebnisse sind aber praktisch immer falsch, weil Dinge falsch zusammengefasst oder unzulässig verkürzt wurden. Journalisten wissen das natürlich, und teilweise wird das ja auch absichtlich gemacht, weil man mit unzulässig zusammengefassten Schlagzeilen wie "Kaffee hilft gegen Krebs" mehr Klicks macht als mit unverständlichen vieldimensionalen Ergebnissen von Studien, die man auf einer Seite Text gar nicht kommuniziert kriegt.
Insofern Hut ab für Channel 4, dass sie die Langfassung des Interviews überhaupt aufgehoben und dann auch noch auf Youtube hochgeladen haben. Man sieht hier sehr schön, wie Journalismus häufig funktioniert, und welche rhetorischen Tricks von Journalisten erwartet werden, weil man ja möchte, dass sie den Interviewten möglichst aus der Reserve holen und konfrontieren.
Wer sich für Journalismus und die Mechanik von Interviews interessiert, sollte sich das anschauen.
Ich persönlich bin ja eher ein Freund von nicht-konfrontativen Interviews. Wenn man den Interviewten die ganze Zeit anpinkelt, kommt am Ende halt eine Serie von "das habe ich so nicht gesagt" raus, damit ist der Zuschauer nicht weiter als vorher. Ich bin ein Freund davon, den Interviewpartner reden zu lassen, ihm möglichst viel Gelegenheit zu geben, sich um Kopf und Kragen zu reden. Wobei das bei Peterson wahrscheinlich auch nicht viel gebracht hätte, der war ja wie man sehen kann exzellent vorbereitet.