Fragen? Antworten! Siehe auch: Alternativlos
Ich komme ja beruflich rum und habe mit verschiedenen Firmen und Konzernen zu tun. Es gibt da eine Sache, die ich häufiger beobachten kann (nicht immer!).
Stellt euch mal jemanden vor, der in einer Firma Post austrägt. Doofes Beispiel, doofe Analogie, aber macht mal kurz mit.
So, der kommt morgens immer zur Poststelle, greift sich mit beiden Händen Briefe, und trägt die dann in der Firma rum zu den einzelnen Gebäuden oder Mitarbeitern.
So, jetzt stellt euch mal vor, dass die Firma dem einen Sack kauft. Hier, Postausträger, du musst die Briefe jetzt nicht mehr mit deinen Händen tragen, tu sie in diesen Sack. Dann werden die auch nicht nass, wenn es regnet und du ins andere Gebäude musst.
Und jetzt stellt euch mal vor, dass der Austräger ablehnt. Nee, Sack braucht er nicht. Er kann das auch so, vielen Dank.
Ja, aber du könntest damit deine Produktivität steigern! Mehr Post in weniger Zeit austragen! Schau mal hier, wir können dir die Post auch vorsortieren, dann hast du einen Sack für Gebäude A und einen für Gebäude B!
Ja, nee, will ich nicht, ich mach das so wie ich es gelernt habe.
Das ist jetzt ein plakatives Beispiel, aber diese Art von … ja was? Starrsinnigkeit? … erlebe ich häufiger in Firmen, besonders in großen Firmen. Die Firma schafft irgendwelche Produkte an, die irgendwas besser machen sollen, und dann nimmt sich niemand in der Firma die Zeit, sich in den Scheiß mal einzuarbeiten! Das Produkt steht dann da rum, oder manchmal nimmt man auch einen externen Dienstleister, der das irgendwo einbaut. Dann hat das Ding Strom und Netz und es gibt einen Mitarbeiter, der guckt, ob das noch an ist.
Aber das Gerät hilft dann nicht, sondern es wird nur verwaltet. Mit den anderen Geräten, die auch nicht helfen. Und am Ende gibt es eine Landschaft voller Ruinen, die alle verwaltet werden, und die Firma kauft vielleicht noch eine weitere zukünftige Ruine für die Verwaltung der anderen Ruinen. Vielleicht gleich alles doppelt angeschafft, wegen der Ausfallsicherheit.
Aber am Ende des Tages laufen die Leute da mit Bleigewichten an ihren Füßen herum, weil sie so viel unnützen Mist verwalten müssen, der eigentlich überhaupt nicht gebraucht wird.
Aber das ist gar nicht der Punkt, der mich bedrückt, dass sich da so viel Mist akkumuliert. Was mich bedrückt, ist: Wenn du in der Abteilung für $FOO arbeitest, und die Firma schafft das Marktführer-Tool für $FOO an, und du kannst es nicht bedienen … hättest du dann nicht das Bedürfnis, das zu lernen? Ich meine, das wäre für die Firma besser, wenn das jemand bedienen kann. Du bist in der Abteilung, in der man wissen sollte, wie man das Marktführer-Tool für den Bereich bedient. Es würde deinen Wert auf dem Arbeitsmarkt und für die Firma steigern, wenn du wüsstest, wie man das bedient.
Und dennoch … das höchste der Gefühle ist, dass so Basisfunktionalität in Betrieb genommen wird. Bei einer Firewall werden ein paar Regel gesetzt, vielleicht. Ein Logging-Server wird mit Logs beschickt. Mit einem Backup-Server werden vielleicht ein paar Backups gemacht. Aber das ist auch alles. Benachrichtigung im Problemfall? Beim Backup auch gucken, ob Restore geht? Bei der Firewall gucken, dass kein Kollege unegal am Regelset herumspielt? Das ist sowas von die Ausnahme, dass man regelmäßig bei Enterprise-Tools Produkt-brechende Bugs in der fundamentalsten Basisfunktionalität hat. Und wenn man den Support fragt, wie so ein Bug es bis zum Kunden schaffen kann, sagen sie: Die Option hat wohl vor Ihnen noch keiner genutzt. Oh tatsächlich? Noch niemand vor mir hat das Suchfeld benutzt?!
Mit Nichtwissen kann ich leben. Da bin ich auch niemandem böse. Solange man das erkennt, das man keine Ahnung hat, ist das OK. Aber dann bitte auch Gelegenheiten zur Wissensmehrung wahrnehmen! WTF?! Wie kommt das, hat jemand eine Erklärung? Das sind übrigens nicht bloß ältere Mitarbeiter, die dieses Muster zeigen. Im Gegenteil, auch viele Jüngere!
Update: Oh und das betrifft ja auch nicht nur so Enterprise-Apps. Nehmt nur mal Windows und MS Office. Muss man nicht mögen, aber wenn man damit tagtäglich Briefe schreiben muss, dann setzt man sich dochmal damit auseinander, dass man Text auch mit Shift-Ctrl-Pfeiltasten wortweise markieren und mit Ctrl-B fett setzen kann, und da nicht mit der Maus herumkrautern muss. Aber was man da teilweise bei Fachkräften sieht, das irritiert mich jedes Mal. Gut, ich hab auch keine Lust auf MS Office, und mache lieber XeLaTeX oder Webseiten, wenn ich eine Wahl habe. Aber wenn man sich schon mit so einer Software herumschlagen muss, dann guckt man doch, wie man sich die Schmerzen reduzieren kann!?