Fragen? Antworten! Siehe auch: Alternativlos
Zu den Vergewaltigungsvorwürfen kann ich nichts sagenaufgemacht, damit auch wirklich dem letzten Lesekompetenz-Durchfaller klar ist, dass sich das Folgende auf die anderen Vorwürfe bezieht.
Dass die anderen Vorwürfe in dem verlinkten Tor-Artikel nicht vorkommen, liegt daran, dass ich diesen Pranger nicht verlinken will. Pranger sind Scheiße und ich spiele so etwas keine Aufmerksamkeit zu. Selbst wenn die inhaltlich Recht haben, und zwar auch mit den Vergewaltigungsvorwürfen, was ich nicht ausschließen kann.
Die Frage der Stunde sollte nicht sein, wer jetzt an was Schuld hat, sondern was wir an den Prozessen in der Community verbessern können. Wie können wir in Zukunft dafür sorgen, dass niemand glaubt, er müsse einen anonymen Internet-Pranger aufmachen, weil die anderen Optionen alle nicht wirken?
Zu den anonymen Anschuldigungen sind jetzt auch noch welche mit Namen dran gekommen, von Nick Farr. Nick hat jahrelang auf dem Congress und dem Camp mitgeholfen und ist in der Szene wohlbekannt und geschätzt. Nick wirft Jake jetzt Bullying vor und sagt, dass er deswegen nicht mehr zu den Congressen gekommen ist. Das hat mich relativ stark mitgenommen, weil ich nicht verstehen kann, wieso ich das jetzt Jahre später in so einem Kontext hören muss und nicht schon vorher. Nick sagt, er habe mit den Leuten gesprochen, denen er vertraut hat, und die hätten ihm nicht geholfen. Nicht nur das, die haben das auch unter Verschluss gehalten, den Buschfunk hat es nicht erreicht und bei mir kam es nie an.
Ob das jetzt inhaltlich stimmt oder nicht, ist nicht so einfach zu beantworten. Ich kenne Nick ungefähr so gut wie ich Jake kenne, ein paar Mal getroffen und unterhalten, eher aus der Ferne. Nick schien mir immer ein netter Kerl zu sein. Und dass er sich mit seinem Namen hinter seine Vorwürfe stellt, macht sie natürlich gleich viel glaubwürdiger. Aber es bleiben erstmal Vorwürfe, und solange ich da keinen Einblick habe, was wirklich passiert ist (und leider sind beispielsweise die Drohzettel aus seinem Hotel verloren gegangen und liegen nicht mehr als Beweismittel vor), kann ich das auch nicht intrinsisch höher bewerten als Jakes Unschuldsvermutung.
Ich ärgere mich gerade über zwei Dinge. Erstens über mich selbst, dass meine erste Reaktion ist: Der Jake ist doch schon immer ein Arschloch, habt ihr das nicht gemerkt? Das stimmt zwar und ist in diesem Fall auch richtig, aber was wenn der nächste ein freundlicher, wohlgekleideter, beredter Mensch ist? So jemand wie Nick Farr? Das kann man nicht immer vorher erkennen.
IN DIESEM FALL hätte man es vorher erkennen können, und meine Äußerungen stehen daher. Aber das Problem ist ja ein tiefer sitzenderes.
Die andere Sache, über die ich mich ärgere: Dass ich Jake das gönne, dass er bei Tor rausfliegt. Und ich weiß genau so wenig wie ihr, was an diesen Vorwürfen dran ist. Ich rede hier von der Unschuldsvermutung, aber emotional kann ich mich da selber nicht dran halten.
Ich bitte daher alle darum, diese konkreten Vorwürfe von "ich fand Jake schon immer doof" zu trennen, denn das scheint mir in der Community gerade Tenor zu sein. Einige Leute fangen jetzt an, Schmutz gegen Jake zu sammeln, der mit diesen Vorwürfen nichts zu tun hat.
Ich persönlich kann mit "der hat mich emotional ausgenutzt" als Vorwurf nichts anfangen. Zum Ausnutzen gehören immer mindestens zwei. Einer, der ausnutzt. Einer, der sich ausnutzen lässt. Und dann noch n Zuschauer, die nicht eingreifen. Jeder davon hat eine Verantwortung bei sowas. Man kann das nicht jahrelang geschehen lassen und dann mit dem Finger zeigen.
In einigen Mails kam das Argument, was denn sei, wenn man nicht weggehen kann, beispielsweise weil das der Arbeitsplatz ist. Mein Rat: GERADE DANN muss man weggehen. Das ist deine Lebenszeit! Die gibt dir keiner wieder, wenn du die so einem emotionalen Vampir opferst! Und da kannst du auch danach niemandem die Schuld zuschieben als dir selbst. Wenn du schon dir selbst gegenüber nicht genug Wertschätzung und Respekt aufbringen kannst, um dich aus solchen Situationen zurückzuziehen, wie kannst du es dann von Außenstehenden erwarten?
Das liegt vielleicht an meiner Sozialisierung und meinen Erfahrungen bisher, aber ich habe Schuldzuweisungen immer als Abwehrhandlung erlebt, mit denen jemand von seiner eigenen Verantwortung in der Sache ablenken wollte.
Zusammenfassung: Die Lage ist komplex und schwierig zu beurteilen. Lasst uns bitte von den Schuldzuweisungen wegkommen und gemeinsam überlegen, was man in Zukunft machen kann. Lasst uns überlegen, wie wir in Zukunft dafür sorgen können, dass sowas ohne Internetpranger geklärt werden kann.
Update: Eine Sache noch. Ich schreibe häufig, man soll halt zur Polizei gehen, und da kommt dann jedesmal der Hinweis, ich wisse nicht, wovon ich spreche, weil die Polizei in solchen Fällen total versagt und niemandem weiterhilft. Weiß ich. Trotzdem. Gerade dann ist es wichtig, dass die Statistik entsprechend aussieht. Wenn wir nicht hingehen, dann steht in deren Statistik, dass sowas nicht vorkommt, und dann kommt der Innenminister und streicht das bisschen Geld für den Bereich auch noch weg.
Dann gibt es da noch das Argument, dass es Überwindung kostet, zur Polizei zu gehen, wenn einem die Story peinlich ist. Klar. Aber das ist kein Argument. Du gehst ja nicht FÜR DICH zur Polizei, um Rache zu üben. Du gehst zur Polizei, damit jemand diesen Typen aus dem Verkehr zieht, damit nicht noch andere zu Schaden kommen. Wenn es nur um dich selbst ginge, dann wäre das ein Argument. Tut es aber nicht. Wenn ein Täter das nächste Opfer vergewaltigt, und du bist zur Polizei gegangen und die haben nichts gemacht, dann ist das deren Verkacken. Wenn du gar nicht erst hingegangen bist, ist es dein Verkacken. Aus meiner Sicht gibt es die Option "nicht hingehen" nicht, egal wie peinlich oder schwierig das ist und egal wie unwahrscheinlich es ist, dass die helfen. Als Opfer weißt du aus erster Hand, wie Scheiße das ist, Opfer zu sein. Es ist deine verdammte Pflicht, dafür zu sorgen, dass das anderen erspart bleibt.
Stellt euch mal vor, eure Tochter/Nichte wird vergewaltigt, und ihr erfahrt danach, dass es seit Jahren entsprechende Geschichten über den gibt, aber die anderen Opfer sind nicht zur Polizei gegangen. Hättet ihr dann nicht vergleichbar viel Hass auf den Täter wie auf die, die ihn nicht angezeigt haben?