Fragen? Antworten! Siehe auch: Alternativlos
Erstmal die inhaltlichen Updates: der CCC hat sich eingeschaltet und stimmt mir inhaltlich zu, dass "digitale Gewalt" das neue "aber die Kinder" ist, mit dem irgendwelche Hobbyideologen das Internet zusammenzensieren wollen. Zweitens: Ulf Buermeyer von der GFF hat sich geäußert. Er hatte offenbar den Teil mit der Vorratsdatenspeicherung nicht mitgekriegt und wollte sich bloß zu dem Teil mit den Accountsperren äußern. Ich hoffe mal, das heißt, die GFF wird rigoros gegen die Vorratsdatenspeicherung vorgehen.
Worauf ich mit meinen ursprünglichen Ausführungen eigentlich hinauswollte: Die faseln da die ganze Zeit von Straftaten. Es geht aber überhaupt nicht um Strafrecht. Das wollte ich gerne, dass dem Leser das auffällt, indem ich mit der Brechstange komme und sage: Aber beim Strafrecht zahlt ja der Verlierer.
Das Problem ist, dass hier eine Struktur geschaffen werden soll, wie sie auch die Urheberrechts-Abmahnmafia etabliert hat.
Man stellt einen Straftatbestand in den Raum, der in der Praxis nie erreicht werden wird, sowas wie gewerbsmäßige Bandenhehlerei. Dann lügt man allen Beteiligten ins Gesicht, es ginge um die Vorbereitung so einer Klage und daher macht man Auskunftsaussprüche geltend. Wenn man die Auskunft hat, dann vergisst man, dass man jemals mit Strafrecht gedroht hat und saugt die Opfer zivilrechtlich aus.
Genau die Nummer schlägt das BMJ jetzt für Online-Beleidigungen vor. Man faselt was von strafbaren Handlungen und schweren Gewalttaten, aber eigentlich will man eine Abmahnindustrie für Beleidigungen einführen. Das Feigenblatt sind im Moment erstmal Accountsperren. Das klingt harmlos genug, weil der durchschnittliche Beobachter nicht genug Vorstellungsgemögen und Empathie hat, um sich vorzustellen, dass er selbst eines Tages betroffen sein könnte. Aber das solltet ihr euch mal vorzustellen versuchen. Wie sich das anfühlt, wenn euer Privataccount von irgendwelchen frivolen Klagen irgendwelcher sich beleidigt fühlender AfD-Wähler oder Impfgegner geschlossen wird, und ihr alle Freundkontakte über den Account verliert.
Wie so häufig gilt auch hier der kategorische Imperativ. Wenn du nicht möchtest, dass dir das zustoßen kann, dann solltest du es auch nicht für andere einzuführen versuchen.
Dann hatte ich noch die Kosten angesprochen. Die hatten mit Anwaltskosten argumentiert, und mit hohen Streitwerten. Nun, den Streitwert setzen sie als Kläger selbst, und ein Auskunftsersuchen kann man selbstverständlich auch ohne Anwalt eintüten, besonders wenn man ein Abmahnverein ist, wie Hateaid sich offenbar selber positionieren möchte. Man setzt aber natürlich einen hohen Streitwert und schaltet einen Anwalt ein, weil man mit dem Anwalt befreundet ist und man mit dem einen Cash-Back-Deal hat oder Investor in der Kanzlei ist oder sowas, und weil man der Gegenseite so viel Kosten wie möglich reindrücken will, denn es geht hier schließlich um ideologische Kriegsführung.
In so einem Szenario finde ich das Prozessrisiko für einen Laden wie Hateaid nicht nur nicht schlecht, ich halte es für ein notwendiges Korrektiv. Das einzige (sehr schwache) Korrektiv, um ein komplettes Freidrehen zu vermeiden.
Was ich in meiner Argumentation übersehen hatte: Gerichtskosten entstehen, und die holt man sich dann zivilrechtlich vom Prozessverlierer zurück. Aber nur wenn der nicht ein mittelloser privatinsolventer Langzeitarbeitsloser auf Hartz IV ist.
Das ist glaube ich hier auch tatsächlich des Pudels Kern. Hateaid möchte gerne einmal das Internet ideologisch säubern, und ihnen ist aufgefallen, dass ihre Prozessgegner Deplorables (um mal mit Hillary zu sprechen) sind und sie auf den Kosten auch mal sitzen bleiben können. Das gefährdet deren Abmahnverein-Geschäftsmodell und daher wollen sie, dass Facebook zahlt.
Update: Jaja, der kategorische Imperativ geht subtil anders (meint aber dasselbe): Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.