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Das Grundproblem der Linken wurde ja in deinem Blog schon mehrfach identifiziert. Die eigenen Positionen werden nicht mehr argumentativ hergeleitet, sondern über ein Kreisgewichse der Zustimmung zu (äußerlich) linker Politik und einer Ablehnung von (äußerlich) rechter Politik generiert. Der politische Mainstream ist faktisch links, dass Merkel in einer konservativen Partei ist, hat praktisch keinerlei Bedeutung mehr.Ab hier der mir wichtige Teil:Nun würden simpel gestrickte Zeitgenossen sagen: klar, dass liegt ja auch daran, dass linke Positionen einfach *richtig* sind. "Die Geschichte hat bewiesen, dass wir recht haben. Fortschritt!" Das ist natürlich himmelschreiender Unsinn.
Es ist nichts anderes, als eine unheilige Allianz zwischen linker Gesellschaftspolitik und traditionellem Wirtschaftsliberalismus, die eine immense Überzeugungskraft generiert hat, weil sie die Interessen beider Lager bedient. Man sollte aufhorchen, wenn man hört, dass wir Flüchtlinge brauchen, um unsere Rente zu bezahlen/unsere Wirtschaft zu stärken/unser Demographieproblem zu lösen. Das ist ein kapitalistisches Argument, zur Lösung eines durch Kapitalismus erzeugten Problems. Den hat die Linke übrigens mal abgelehnt. Warum haben wir denn z. B. ein Demographieproblem? Weil Frauen sich seit Jahrzehnten einreden, dass Gleichberechtigung bedeutet, man müsse 40 Stunden pro Woche malochen, und da bleibt natürlich keine Zeit mehr für Kinder. Klar, man könnte das Feminismus nennen. Man könnte aber auch sagen, dass der Geist des Kapitalismus erfolgreich die anderen 50% unserer Gesellschaft erreicht hat. Wenn man gesellschaftspolitisch linke Positionen mal gründlich durchleuchtet, findet man fast überall eine Affirmation des Kapitalismus durch die Hintertür. Die Energiewende ist ja letztlich auch irgendwie gut für den Industriestandort Deutschland, oder?Dieses Argument klang hier im Blog schonmal an.
Aber dieses "wenn man genau hinguckt, erkennt man fast überall eine Affirmation des Kapitalismus" ist etwas, das der interessierte Leser für sich selbst machen kann, um sich Gewissheit zu verschaffen. Viel Spaß beim genau hingucken! :-)
Der Einsender spricht dann noch eine Sache an, die mich auch häufiger ärgert: Die Selbstdarstellung als "progressiv" oder "fortschrittlich".
Hinzu kommt das ständig verwendete Argument des historischen Fortschritts. Gerade als Historiker bin ich darauf geeicht, ich sehe diese Argument fast überall. Wenn jemand seine eigene Meinung damit begründet, dass sie "fortschrittlich" sei, und die andere als "rückwärtsgewandt" ablehnt, dann sollte im Kopf eines denkenden Menschen Alarmstufe Rot sein. Viele Leute arbeiten explizit mit irgendwelchen "Lektionen aus der Geschichte". Die meisten tun das implizit. Wer heute sagt, er ist für Feminismus oder für offene Grenzen, dann bedeutet das faktisch: wir hatten das Gegenteil schonmal, das möchte ich nicht wieder. Dem muss ich leider entgegnen: sorry, aber der NS hat sich auch als Verkörperung des Fortschritts gesehen und seine Feinde als Kräfte der Reaktion definiert! Warum? Weil sich seit der Wende zur Moderne um 1800 ein Geschichtsbewusstsein durchgesetzt hat, das nicht zyklisch, sondern teleologisch ist. Anders formuliert: in der Moderne muss sich *jede* politische Ideologie als Verkörperung des Fortschritts inszenieren.Gut, für diese Erkenntnis braucht ihr vielleicht keinen Historiker. Aber vielleicht hat euch das ja auch noch nie jemand so klar gesagt.