Fragen? Antworten! Siehe auch: Alternativlos
Praktisch alle wegen Jaywalking (oder neu: pedestrian interference) bestraften sind Schwarze.
Stellt euch also meine Überraschung über diese Meldung vor:
Jaywalking – that time-honored practice of crossing the street outside of the crosswalk or against the traffic light – is now legal in New York City.
Ja, richtig gelesen! New York hat Jaywalking legalisiert!Begründung: Macht eh jeder aber bestraft werden nur Schwarze und Latinos.
Das ist ein Bullshit-Konzept von Großkonzernen wie Microsoft. Die wollen damit sagen, dass Leute, die Bugs in ihren Produkten veröffentlichen, unverantwortlich handeln.
Also eigentlich wollen sie damit sagen: DIE sind Schuld, nicht wir, dass unsere Produkte kacke sind, es jeder weiß, und eure Daten nicht sicher sind, wenn ihr sie uns anvertraut.
Es gibt ein Vorbild für diese PR-Kampagne, und ich hatte sie auch schonmal hier im Blog: Jaywalking. Wurde von den Automobilkonzernen erfunden, um die Schuld an den ganzen toten Kindern im Straßenverkehr von sich weg zu den Opfern zu schieben. Unser Produkt tötet Kinder? Na hätten die sich mal "responsible" verhalten und nicht auf der Straße gespielt!
Und jetzt gibt es Iteration 3 von dem Konzept: "Responsible AI". Unsere KI-Produkte töten Menschen? Das heißt nicht, dass KI grundsätzlich verwerflich ist, nein, nein, das heißt, dass hier KI nicht "responsible" eingesetzt wurde!!1! Das war ein bedauerlicher Einzelfall, vergleichbar etwa mit Nazi-Fanartikeln bei Polizisten. Das ist eine ganz fiese Nummer und ihr solltet euch da nicht verarschen lassen.
Ihr mögt Accenture nicht? Dann guckt bei PwC! Oder bei Microsoft. Oder bei Google. Oder bei Tensorflow. Es sind auch schon ansonsten reputable Forschungseinrichtungen auf den Zug aufgesprungen. Klar, man will nicht das Blut an den Händen haben, aber auf die Forschungsmittel will man auch nicht verzichten. Da muss eine PR-Kampagne her.
Wisst ihr, was mir jetzt noch fehlt?
Responsible Crypto Currency.
Ich bin ehrlich erstaunt, dass die Ethereum Foundation das noch nicht gemacht hat. Die haben ja auch ein fettes PR-Problem. In deren Umfeld suchen Journalisten seit Jahren nach seriösen Marktteilnehmern und finden keine. Die eine Hälfte ist Schall und Rauch-Projekte, groß angekündigt und dann hat man nie wieder was gehört, und der Rest sind Scammer und Ransomware-Erpresser. Regelmäßig verlieren Leute ihre Einlagen wegen eines "Hacks" oder Währungen müssen geforkt werden, weil es da ein bedauerliches anders nicht korrigierbares Sicherheitsproblem gab. Man würde denken, wenn es eine Branche gibt, die mal irgendwas mit responsible braucht, dann wären es die.
Oh, wartet, einen hab ich noch vergessen. Responsible encryption. Das war der Euphemismus für "ihr müsst alle Hintertüren für den Staat einbauen in eure Krypto-Produkte".
Kurz: Wenn irgendwo responsible draufsteht, ist das vergiftet. Einen klareren Indikator für "ist vergiftet" gibt es gar nicht. Das ist jedenfalls nie responsible und schon gar nicht zu eurem Nutzen.
Responsible AI, my ass.
Die andere Sache, die ihr immer als Lösung verkauft, ist dass die Leute geschult werden müssen, nicht überall drauf zu klicken.
Ich will jetzt hier nicht groß auf Heise draufkloppen, weil das ja anderswo auch so läuft. Aber lasst uns doch mal jetzt endlich eine Sache gemeinsam festhalten. Antiviren helfen nicht. Und "die Leute schulen" hilft auch nicht.
Bei der Gelegenheit sei mal an die Geschichte von "vom Auto überfahren werden ist Schuld des Fußgängers" erinnert, denn ich sehe da Parallelen. Genau wie die Autoindustrie uns eingeredet hat, dass wenn jemand angefahren wird, dann er da wohl nicht hätte sein sollen, genauso redet uns die Softwareindustrie seit Jahren ein, dass Anwender halt nicht auf alles draufklicken sollen. Die aktuelle Inkarnation davon ist, wie man bei Windows 10 und Smartphones "Consent" gewährt, indem die einem kurz (wenn man Glück hat!) eine Liste mit angeforderten Permissions vor der Nase aufpoppen und danach gilt der Anwender als selber schuld.
Ein Browser, bei dem man nicht auf alle Links draufklicken darf, weil einem sonst das System von Ransomware übernommen wird, ist nicht akzeptabel. Eine Arbeitsumgebung, bei dem man keine Dokumente öffnen darf, die einem zugeschickt werden, ist nicht akzeptabel. Das ist der Job von Sachbearbeitern eines Verlages, Dokumente zu öffnen, die ihnen zugeschickt werden. Wir sollten hier uns auch nicht von irgendwelchen Diskussionen ablenken lassen, wie gut oder nicht gut die Malware getarnt war. Eine Arbeitsumgebung, in der man nicht überall draufklicken darf, ist nicht akzeptabel. Nehmt die Hersteller in Haftung.
Und an Heise: Haben eure Sachbearbeiter etwa Admin-Privilegien unter Windows?!
Diese haben dann recht schnell alle Windows-10-Arbeitsplätze im Netz infiziert, an denen die Benutzer lokale Admin-Rechte hatten. Das war eigentlich bereits per Policy untersagt. Allerdings gab es einige Ausnahmen, etwa auf einigen gerade eingerichteten Rechnern für eine interne Schulung, deren Software lokale Adminrechte erforderte.Ja nee, klar, da macht man dann halt ne Ausnahme. Wenn die Gammelsoftware von 1995 Admin-Rechte haben will. *stöhn*
Die Autoindustrie hat daraufhin entschieden, dass die Straße ihnen gehören soll, nicht den Menschen. Wer auf der Straße ist, ist selber schuld. Nicht nur selber schuld, nein, das soll eine Ordnungswidrigkeit werden! Dafür wurde der Bullshit-Tatbestand des "Jaywalking" erfunden. Hier hat das mal jemand erklärt.
Ich hatte das schonmal verlinkt vor ein paar Jahren. Jetzt verlinke ich es nochmal, weil ich diesen Artikel fand, der im Kontext mit der Autoindustrie gleich noch mal doppelt so schlagkräftig ist.
Die These ist, dass die Banken gerade machen, was die Automobilindustrie damals gemacht hat. Die Schuld (und Haftung!) von "Unterschrift unter Scheck gefälscht" über die Erfindung eines Bullshit-Tatbestandes names "Identity Theft" auf den Kunden abschieben.
It's no longer called Jaywalking, it is now called Pedestrian Interference, and it is a jailable offence.
Mir war bis dahin nicht mal der Term Jaywalking bekannt. Das ist in den USA der Begriff für ohne Ampel über die Straße laufen. Der Cop fuhr dann weg, ohne mich weiter eines Blickes zu würdigen. Für mich war dieses Erlebnis ein Schlüsselmoment, weil es in mir das Gefühl weckte, es mit einem Staat zu tun zu haben, der Menschen für das Überqueren der Straße in den Knast stecken würde.Der Hintergrund von der Geschichte ist, dass die Innenstädte in den USA ein Obdachlosenproblem haben, größtenteils Ex-Militärs, die nach der Heimkehr aus dem Krieg weitgehend alleine gelassen werden. Und mangels sozialem Netz sind die dann halt obdachlos. Der Weg der USA, mit dem Problem umzugehen, ist "Enabler" wie Suppenküchen wegzuekeln, und zu Großveranstaltungen mit Publikum von auswärts sammelt man die Obdachlosen gerne mal ein und karrt sie in Bussen irgendwo aus der Stadt raus und dumpt sie dann in die Wüste. Und um im Zweifelsfall etwas zu haben, mit dem man Obdachlose einbunkern kann, wurde Pedestrian Interference als Tatbestand erfunden.
Es ist leicht, aus der Perspektive Deutschlands sowas als unmenschlich abzutun und auf die Amerikaner herabzugucken. Aber heute scrollt diese Geschichte an mir vorbei und das ändert die Perspektive doch noch mal deutlich. Da ist ein berühmter Maler in Handschellen abgeführt worden, weil er bei rot über eine Ampel gegangen sein soll. Nicht gefahren. Gegangen. Die Polizei soll sogar zur Dienstwaffe gegriffen haben. Und natürlich, wie immer in Deutschland, wird jetzt gegen das Opfer noch ermittelt, wegen Widerstandes gegen die Polizisten. Nee, klar. Der Mann ist übrigens über 70.
Da bleibt mir der Spott über die Amerikaner im Halse stecken.
Update: Mir teilt gerade jemand folgendes per Mail mit:
Wer beim bei rot über die Ampel gehen erwischt wird auf dem Weg zum Stadion bekommt für Jahre ein bundesweites Stadionverbot und nen Eintrag in die Datenbank Gewalttäter SPORT. Wenn dann irgendwo WM ist, lassen die einen dann nicht aus Deutschland raus, man muss sich täglich bei der Polizei melden und und und.
Keine Ahnung, wie belastbar diese Aussage ist. Kann das jemand bestätigen?
Update: Eine andere Mail weist darauf hin, dass Jaywalking ein Spindoctoring der Automobillobby in den USA ist, um die Schuld an Unfällen den Kindern in die Schuhe zu schieben und nicht den Autos.
Update: Es kamen diverse Bestätigungen für die Fußball-Geschichte rein.