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Peter Zeihan hatte ich hier schon mal im Blog, wo er auch kontrovers diskutiert wurde.
Ich fasse mal zusammen.
Russlands Bevölkerung ist klein und schrumpft weiter. Sie wohnen auf einem riesigen Flachland, das nicht zu verteidigen ist mit den paar Leuten.
Es gibt mehrere natürliche Barrieren, die Karpaten z.B., und wenn man das Reich soweit ausdehnt, dass es bis zu diesen Barrieren reicht, dann muss man nur noch die paar Spalte zwischen den Barrieren verteidigen. Angesichts schrumpfenden Bevölkerung herrscht Zeitdruck. Wenn das nicht jetzt gelingt, wird es nie mehr gelingen.
The Soviet Union controlled all nine of these gaps, making it the most secure Russia has ever been. Putin's ongoing wars and "peacekeeping" missions have stationed Russian troops in another five. Ukraine is unfortunate to be on the road to two more.
Die anderen beiden zu stopfenden Löcher sind, laut Zeihans Karte, Polen und die baltischen Staaten.Die These ist also: Russland tut, was es schon die ganze Zeit vorhatte, nämlich diese ganzen Länder zurückerobern. Das war die ganze Zeit schon nicht vermittelbar begründet, daher ist das jetzt auch egal, ob Putin das begründet kriegt oder nicht. Der macht das halt.
Ein paar kurze Anmerkungen zu Peter Zeihans Hypothesen und auch Folien. Von jemandem, der sich seit zwei Jahrzehnten mit Öl, Gas und Energiewirtschaft beschäftigt.Zeihan geht davon aus, daß die USA auf absehbare Zeit Weltmacht bleiben werden und nennt dafür im wesentlichen vier Gründe.
1. die USA verfügen über fruchtbare Böden
Das ist korrekt. Andererseits ist es totaler Blödsinn.
Denn diese Böden sind seit den 50er Jahren um die Hälfte in ihrer Mächtigkeit geschrumpft, moderner Landwirtschaft sei Dank. Erosion ist ein übler Faktor.Der beste Boden ist unnütz, wenn es an Wasser fehlt. Die USA driften einer massiven Wasserkrise entgegen, die sich vom Mittelwesten bis tief in den Südwesten zieht bzw. ziehen wird. Stichwort: fossiles Grundwasser. Der beste Boden ist auch unnütz, wenn er womöglich im Frühjahr ewig lang überflutet wird und man die Saat nicht ausbringen kann. Stichwort: Klimakatastrophe. Siehe 2019.
2. Die USA verfügen über Energieressourcen
Das ist korrekt. Andererseits ist es totaler Blödsinn.
Denn diese Ressourcen sind nicht ausreichend, um die USA zu versorgen. Die EIA - deren eigenes Ministerium - sagt auf ihrer Webseite klar und deutlich, daß Zeihans Behauptungen von 'energy independence' exakt das sind, was sie immer waren. Ein feuchter Traum. Die Wahrheit ist, daß die USA noch immer Öl importieren. Wesentlich weniger als z. B. 2011, aber immer noch was.Ähnliches gilt für den Preis des Fracking. Wenn das US-Superöl nur 40$/barrel kostet, warum macht dann kein einziges Fracker-Unternehmen Gewinne?
Warum steigt die Schuldenaufnahme der Branche seit 2015 immer weiter an? Warum haben alleine im letzten Jahre mindesten 50 Fracker die Flügel gestreckt? All das kann man simpel ergooglen.
Und warum trocknet die Kreditline, die doch gar nicht notwendig sein sollte, langsam aus, wenn dieses Geschäft soviel Zukkunft verspricht?
Sagt die FT, nicht etwa Greenpeace.
https://www.ft.com/content/187f8176-f4f4-11e9-b018-3ef8794b17c6Diese Aussage über LNG ist extrem lächerlich, wobei ich nicht weiß, ob das einem Mißverständnis seitens des Vorposters entspricht. Flüssiggas (LNG) ist kein Erdgas. Es handelt sich um zwei unterschiedliche Dinge. Um Gas zu verflüssigen, sind teure Terminals notwendig und ein Prozeß, der sehr viel Energie verbraucht. Das macht LNG relativ teuer, energetisch sinnloser und bei weitem unattraktiver als normales Pipelinegas, wie es über Nordstream reinkommt. Die Wirtschaftlichkeitsgrenze für den Transport von LNG liegt irgendwo zwischen 2.000 und 3.000 km. Ebenso braucht der Empfänger ein Terminal für LNG. Die Dinger kosten Stück mal lässig 10 Milliarden € aufwärts, alles andere als eine kleine Investition.
Außerdem: wenn Gas so fantastisch gut ist, warum wird es auf Ölfeldern noch immer abgefackelt?
Warum wird es bei shale fracking - also Ölgewinnung per Fracking - als massiver Schadstoff in die Umwelt geblasen, statt aufgefangen zu werden? Fakt ist: US-Fracking-Gas (oder das jeder anderen Nation) ist ökologisch eine Vollkatastophe und preislich zu konventionellem Gas keinesfalls konkurrenzfähig. Die USA werden ebenso wenig Europa in großem Stil mit Fracking-LNG versorgen wie sie heute 'energieunabhängig' sind.Fracking ist eine Finanzblase und wird wie alle Blasen implodieren. Ich verweise darauf, daß die Landwirtschaft auf den fruchtbaren Böden auf massiven fossilen Input angewiesen ist.
Stichworte: Bewässerung, Düngung, Pestizide, Herbizide.3. Die USA verfügen über Transportmöglichkeiten im Inneren
Das ist direkt Blödsinn. Denn diese Möglichkeiten sind direkt proportional zur Verfügungsgewalt über große Mengen fossiler Rohstoffe zum notwendig niedrigen(!) Preis.
Das Eisenbahnnetz der USA ist de facto nicht mher existent. Konnte man in den 30er Jahren von New York nach Florida fahren und dabei Schienen benutzen, war das nach dem WK II nicht mehr möglich. Die Autobetreiber haben die Strecken aufgekauft und die Schienen verschrottet. Heute benutzt alles den Highway.
Die USA hatten auch einmal ein ordentliches Binnenhandelsnetz über Kanalsysteme. Das ist heute auch mehr oder weniger weg.Fazit: der Inlandstransport - wie auch der globalisierte - ist vollkommen abhängig von billigem fossilem Input. In jedem unserer industrialisierten Länder.
Nicht nur die Menge einer Resssource ist wichtig. Ihr finanzieller Preis ist es auch. Dazu kommt der Aspekt von Energie rein < Energie raus, ohne den wir ohnehin im Eimer sind und den Standardökonomen immer ignorieren. (Versuch einer Erläuterung)4. die USA verfügen über leicht zu sichernde Grenzen nach außen
Das ist korrekt. Andererseits auch völliger Blödsinn. Der Zerfall eines Imperiums - und das American Empire ist nun einmal eines - hat nicht so viel mit den Barbaren vor den Toren zu tun. Es ist normal immer ein Zerfallsprozeß auch von innen. Denn die Barbaren kommen immer erst dann über den Grenzwall, wenn den ohnehin keiner mehr bewacht ;-)
Ein Blick auf die aktuelle Innenpolitik der USA sollte da klare Hinweise liefern.Es war (mir) schon 2016 klar, daß sowohl Demokraten als auch Republikaner das Ende der 20er Jahre nicht mehr erleben werden. Es war nur die Frage, welche Partei sich zuerst in völlige Auflösung begibt. Aktuell haben die Demokraten die Nase vorn, nach meiner Meinung. Sie werden weiter davonziehen, wenn Trump aufgrund ihrer Blödheit wiedergewählt wird.
Ich würde daher vorschlagen, Zeihan ziemlich wenig Glauben zu schenken und denke, daß sich die USA bis 2030 ganz klar in eine ehemalige Weltmacht verwandelt haben werden. Ob sie das einsehen, ist eine völlig andere Frage.
Der Hinweis sei erlaubt, daß man auch zur Projektion der eigenen Militärmacht um den Globus auf massiven fossilen Input angewiesen ist.
Update: Ein anderer Leserbrief zu Punkt 3 davon:
Das ist direkt Blödsinn. Es gibt immer noch ein funktionierendes Eisenbahnnetz in den Vereinigten Staaten. Man kann immer noch von New York nach Florida mit dem Zug fahren. Klar gibt es nicht mehr soviele Personenzüge, da über die größeren Entfernungen die Flugzeuge und über die kürzeren Entfernungen die Autos praktischer waren.
Aber der Güterverkehr funktioniert wie eh und je. Nicht umsonst besitzt Warren Buffet eine eigene Bahngesellschaft. 2017 wurden z. B. 1,8 Mrd. Tonnen Güter befördert.
Update: Ein anderer Leser hat mal die Zahlen für Deutschland recherchiert:
Wenn die 1,8 Milliarden Tonnen Güter der Gesamtverkehr sind, IST der Güterverkehr in den USA tot.
In 2017 wurden in Deutschland laut Statistischem Bundesamt 348 Milliarden Tonnen auf dem Schienennetz transportiert, davon 226 Milliarden als Innerdeutscher Verkehr.Kann natürlich auch sein, dass die 1,8 Milliarden Tonnen nur die Zahlen Warren Buffets Bahngesellschaft sind.
Quelle: Statistisches Bundesamt. Ich lese das aber eher als 348 Millionen Tonnen in Deutschland. Jemand anderes hat mal bei der EU geguckt:
da die Zahl über den Gütertransport per Eisenbahn ohne Vergleichswert eher sinnlos ist, habe ich mal kurz gegoogelt.
Ansich sind Tonnen keine besonders gute Metrik, da es die Transportentfernung außen vorlässt. Deshalb wird von Eurostat vor allem in Tonnen-Kilometer publiziert.Gemessen in Tonnen dürfte Europa-weit etwa gleich viel per Schiene transportiert werden (2008: 1,77Gt, 2018: 1,70Gt).
Werte für die USA in Tonnen-Kilometer hab ich jetzt nicht rausgesucht, aber meine Laien-Vermutung: wird sich wohl zu Gunsten der USA verschieben.
Was man bei der ganzen Betrachtung auch nicht vergessen darf: in den USA sind im Gütertransport quasi ausschließlich Dieselelektrische Loks auf nicht elektrifizierten Strecken unterwegs. Das ist zwar wesentlich effizienter als LKWs, aber trotzdem komplett Öl-abhängig.
Ich habe mir das in den USA mal erklären lassen, wieso der Personenverkehr da so brachliegt. Die Erklärung war: Das Netz gehört lauter regionalen Railway Barons und ihren Nachkommen, nicht dem Staat oder einer einheitlichen Holding. Und die regionalen Raubritter priorisieren Güterzüge höher als Personenzüge, weil die mehr zu zahlen bereit sind. Daher kann Amtrack, die Personen-Bahn-Gesellschaft, für überregionale Verbindungen auch gar keine richtigen Zeitpläne angeben, weil sie unterwegs von irgendeiner Regionalgesellschaft aufs Wartegleis geschickt werden können, um einen Güterzug vorbeizulassen. Und Güterzüge gibt es in den USA in beachtlicher Länge und Stapelhöhe. Ich hab das konkret in Washington State beobachtet, wo die am Hafen von Seattle terminieren, und da konntest du minutenlang einem vorbeifahrenden Güterzug zugucken, weil die so endlos lang waren. Dann auch gleich mit drei Loks dran. Besonders für Familien mit kleinen Kindern sehr beeindruckend :-)
Was das genau für Umbauten sind, das ist im Moment noch nicht völlig klar. Putin ist ja bald am Ende seiner 2. Amtszeit. Das letzte Mal ist er vorübergehend Premierminister geworden, um dann wieder Präsident werden zu können. Daher nehmen jetzt einige an, dass er wieder sowas plant. Weiß man nicht. Werden wir sehen.
Die Tagesschau schreibt noch:
Medwedjew ist in Russland sehr unbeliebt. Seit 2017 gibt es immer wieder Proteste der Opposition, die sich besonders gegen seine Person richten. Der Kremlkritiker Alexej Nawalny hatte mit Recherchen Korruption und Geldanhäufung des Politikers aufgedeckt und die Proteste angestoßen.Vielleicht brauchte Putin ein Bauernopfer? Aber dann hätte ja eigentlich nur Medwedjew zurücktreten müssen, nicht gleich die ganze Regierung. Na wir werden sehen.
Russland ist wirtschaftlich unter Druck, weil die Amis mit ihrem Fracking und ihrem international immer noch akzeptierten Spielgeld den Ölpreis niedrig halten. Das bröckelt zwar gerade ein bisschen, sieht es aus, weil ihre Partner in Saudi-Arabien auch gerne mal wieder einen ausgeglichenen Haushalt haben würden. Aber solange die Welt den Amis ihre Dollars abnimmt, können die Amis ihr Fracking-Öl subventioniert auf den Markt pressen. Fracking lohnt sich so ab 75$ pro Barrel Ölpreis. Der Ölpreis liegt im Moment bei 55$. Die Amis machen also massiv Verlust mit ihren Fracking-Exporten. Das machen sie trotzdem, um Russland und Venezuela kaputtzumachen.
Update: Sputnik hat ein paar Details zu den Änderungen. Die Abgeordneten im Parlament sollen den Premierminister bestimmen können, aber der Präsident darf weiterhin den Regierungschef und Minister entlassen. Und:
Zudem sollten die Kriterien für Präsidentschaftskandidaten verschärft werden. Um sich für das höchste Amt des Landes zu bewerben, muss ein Kandidat mindestens 25 Jahre in Russland gelebt haben. Bislang waren es zehn Jahre. Ein russischer Präsidentschaftskandidat darf außerdem eine Staatsbürgerschaft bzw. Aufenthaltsgenehmigung eines anderen Landes weder besitzen noch jemals besessen haben.
Das klingt ja nach Abwehr von Oligarchen aus dem Londoner Exil. Die, die noch nicht Polonium- oder Novitschok-Unfälle hatten.
Update: Leserbrief dazu:
Ich selbst habe davon keine Ahnung, aber Du hattest mal vor längerer Zeit im Blog auf Peter Zeihan verwiesen und ich habe daraufhin seine Bücher gelesen.
Im zweiten Buch befasst er sich sehr intensiv mit Fracking, man kann es anhand seiner Maps erahnen, die er auf seiner Webseite veröffentlicht hat:
https://zeihan.com/the-absent-superpower-maps/
Er zeigt mit der Entwicklung der Bohrtechnologie, dass man mit einem Bohrturm zuerst 2004 0,1 Meilen Gestein ernten konnte, 2011 schon 1 Meile, 2014 23 Meilen und 2016 28 Meilen.
Er führt aus (u.a. in der Folie https://zeihan.com/wp-content/uploads/2016/12/2.7-Full-cycle-break-even-oil-prices.jpg) dass der Preis von Fracking-Öl durch diese bessere Technologie von 90 USD auf 40 USD gefallen ist und aktuell außer Saudi Arabien niemand mehr günstiger produziert als die USA.
Und dass der Abfallstoff Natural Gas (LNG) vorher einen negativen Preis hatte und jetzt mit politischen Druck weltweit erfolgreich vermarktet wird (US-Interventionen gegen Nord Stream 2 und https://www.google.com/search?q=lng+terminal+bauen+deutschland ) und LNG so jetzt auch noch einen positiven Wert hat.
Nachdem die im Buch zitierten Thesen vom Rückzug aus dem Nahen Osten gerade eintreten, könnte es sein, dass die im Buch beschriebene kostendeckende Frackingöl-Produktion und Öl-Autarkie stimmen könnte (siehe die Folien "Top Oil Exporters 20xx"). Aber ich persönlich habe keinerlei Berührungspunkte zu der Branche, kann also nicht sagen, ob dem so ist oder nicht.
Da waren meine Zahlen offensichtlich veraltet. Danke für den Hinweis!
Die Kernbehauptung ist, und deshalb empfehle ich es auch, dass nicht etwa die USA fucked sind und der Rest der Welt staunend zuguckt, sondern dass der Rest der Welt fucked ist und die USA sich gerade seelenruhig zurücklehnen und das Pulverfass explodieren lassen. Ich bin gerade bei 40 Minuten und das ist bisher sehr überzeugend argumentiert.
Das Video ist von Februar 2018 und eine Voraussage ist schonmal eingetreten: Dass Xi nicht die Macht abgeben würde. (Danke, Michael)