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Die Position der strenggläubigen Juden ist, dass es Frauen nicht gestattet ist, an der Klagemauer zu beten, schon gar nicht offen und in Gebetskleidung. So sehen das anscheinend auch viele Synagogen hier. Das ist einer der wesentlichen Unterschiede zwischen Christentum und Judentum: Wenn man als Christ unzufrieden damit ist, wie eine Sache gehandhabt wird, dann muss man eine konkurrierende Kirche aufmachen. Im Judentum ist da weniger zentralisiert. Wie das an der Klagemauer ist, hat der örtliche Rabbi entschieden. Da gibt es kein zentrales Dekret, das wird dezentral geklärt.
Es gibt jedenfalls ein paar Aktivistinnen, die den Zustand so nicht länger hinnehmen wollten, und die haben schon vor dieser Aktion Druck gemacht -- und einen Kompromiss gewonnen. Ein Teil der Klagemauer wurde für sie reserviert. Damit sie da beten können, ohne die ultra-orthodoxen zu stören und umgekehrt. Ergebnis: Niemand hat in dem Bereich gebetet. Woraufhin einige verärgerte Männer dann anfingen, da jeden morgen demonstrativ beten zu gehen, sozusagen als Hinweis: Schaut her, hier ist Platz, hier kann man prima beten.
Und die Reaktion der Aktivistinnen war, wie es dann auch in den Nachrichten kam. Sie sind einfach zu dem für die Orthodoxen reservierten Bereich gegangen und haben demonstrativ dort gebetet.
Ich fand sehr interessant, wie verschieden die Perspektiven auf sowas sein können. Meine erste Reaktion war: Wo ist das Problem, lasst die da halt beten. Aber jetzt wo mir jemand die Story mit dem Kompromiss erklärt hat, und meinte, damit hätten sie den Orthodoxen sozusagen bewiesen, dass es ihnen nie um das Beten an der Klagemauer gegangen sei sondern sie bloß Ärger machen wollten, kann ich auch deren Ärger irgendwie nachvollziehen.
Ich als Atheist stelle mir vor, wenn ich beten wollen würde, dass ich es lieber ungestört tun würde als umgeben von anderen Menschen, egal welchen Geschlechtes. Ich war ziemlich erstaunt, dass man mich überhaupt bis an die Klagemauer herangehen ließ, und hielt dann instinktiv Abstand. Oben auf der Klagemauer ist eine Moschee, die zeitgleich zum Gebet rief, während unten die Juden beteten, und dann die Touristenmassen, die sich da vorbeischieben -- für mich ist es ein Wunder, dass sich da überhaupt jemand auf ein Gebet konzentrieren kann.