Fragen? Antworten! Siehe auch: Alternativlos
Nein, wirklich. Tut es. Ist wichtig.
Der neue Adam Curtis-Film hat eine schöne Szene über Filterblasen. Er beschreibt anfangs, wie die Leute die Komplexität der Welt seit dem Kalten Krieg managen, indem sie sich in Scheinrealitäten zurückziehen, mit einfacherem Weltbild, die leider mit der Realität nichts zu tun haben. Und solange ihre politischen Aktionen in der Scheinrealität spielen, bewirken sie in der Realität nichts. Das ist sozusagen eine der Prämissen des Films. An einer Stelle beschreibt er dann, wie Trump irgendwas sagt, und die Liberalen sind "furious" und schimpfen laut, aber die Algorithmen haben dafür gesorgt, dass jeder nur noch Dinge aus seiner Scheinwelt sieht, und so sehen nur noch die das Geschimpfe, die eh schon überzeugt sind.
Ich glaube, da kommt noch ein Aspekt oben drauf, der bisher noch nicht so angesprochen wurde. Es gibt ja Momente, wo die Leute dem Gezeter aus den anderen Scheinrealitäten ausgesetzt sind. Und das wirkt dann so fake und außerirdisch, dass niemand sich ernsthaft mit den anderen Realitäten auseinandersetzen will. Der Grund ist, dass auf dem Weg dahin ein wochenlanges gegenseitiges Aufwiegeln stattfand, aber ohne Feindkontakt. Innerhalb der jeweiligen Gruppe. Zu dem Zeitpunkt, wo der Zorn dann rüberschwappt, ist es auf dem Weg nie mit anderen Realitäten konfrontiert worden, und die Argumente gehen dann a) von Annahmen aus, die die andere Seite nicht nur nicht teilt, sondern möglicherweise sogar noch nie gehört hat, oder b) zielt mangels Kenntnis nicht auf die für die Gegenseite schwachen, angreifbaren Punkte sondern auf fiktive Bruchstellen, die möglicherweise gar nicht da sind. Dadurch verpufft bei Kontakt von zwei Realitäten der Protest völlig. Und der, der den Protest geäußert hat, erklärt sich das mangels anderer Ideen so, dass der Feind halt fies und gemein und irrational ist. Nach wochenlanger Zustimmung aus den eigenen Reihen hält man das eigene Argument für völlig schlagkräftig und unhinterfragbar.
Meine Hoffnung mit den obigen beiden Links ist, dass ihr dieses Muster erkennt. Versucht mal, eine Liste der Prämissen und Annahmen zu machen, die den jeweiligen Artikel zugrundeliegen auf den beiden Sites.
Denn meine Hauptaussage ist: Filterblasen sind nicht etwas, das die anderen da draußen haben, die Kaputten auf Twitter. Filterblasen haben wir inzwischen alle. Unser gesamtes System besteht nur noch aus Feedbackschleifen. Der Onlinehandel, die sozialen Medien, die Nachrichten, alle zeigen uns nur noch, was wir sehen wollen. Mehr oder weniger erfolgreich, klar. Die Twitteria sitzt in einer Filterblase. Ich sitze in einer Filterblase. DU SITZT IN EINER FILTERBLASE. Schritt 1 ist, das anzuerkennen. Schritt 2 ist, gezielt durchzupieksen.