Fragen? Antworten! Siehe auch: Alternativlos
Haben Sie eine Homepage? Für Ihre Familie vielleicht? Eine private Mailadresse? Was zahlen Sie für die Homepage? Marktpreis sind so 2€ pro Monat.Da hat mich der gerechte Zorn ein bisschen übermannt, aber vielleicht nimmt sich das ja der eine oder andere Journalist zu Herzen, der auch gerade überlegt hat, ob er nicht Facebooks laxe Löschpolitik anpranger soll. Den Namen des anfragenden Presseorgans habe ich mal rauszensiert, das spielt ja keine Rolle an der Stelle.Wollen Sie ernsthaft in einer Welt leben, in der es in den Ermessensspielraum des Billighosters fällt, ob ein beanstandeter Inhalt gelöscht gehört oder nicht?
Wenn der pro Monat 2€ von Ihnen nimmt, und die Zeit des Sachbearbeiters für das Lesen der Beschwerde schon mehr als das kostet, dann können Sie sich ja ausmalen, wieviel Zeit die sich für die Entscheidung nehmen werden! Bei Facebook zahlen Sie gar nichts, da sieht die Gleichung noch schlechter für Sie aus.
Der Hoster wird dann einfach immer alles löschen. Sie als Kunden zu verlieren kostet den weniger als Beschwerde-Emails zu bearbeiten.
Diese deutsche Blockwarttum, immer andere Leute verpfeifen zu müssen, eine Meldefunktion zu fordern, und dann indigniert Facebook anzuprangern, wenn sie nicht sofort springen, das finde ich absolut widerlich. Orwell würde sich im Grabe umdrehen. Mit Aufklärung und westlichen Werten hat das jedenfalls nichts zu tun.
In einer pluralistischen Gesellschaft muss man anderslautende Positionen aushalten können. Anderslautende Positionen sind wichtig für den Diskurs, ohne sie kann es nie Fortschritt geben.
Wenn jemand online tatsächlich gegen Gesetze verstößt, dann haben wir dafür Behörden. Dann gehen Sie zur Polizei, die veranlasst dann bei Facebook eine Löschung. Beziehungsweise will man natürlich eigentlich, dass da auch noch ein Richter urteilt. Damit zu löschende Inhalte ein faires Verfahren kriegen. Und wenn etwas gelöscht wird, weil es gegen die Gesetze verstoßen hat, dann will man es nicht bloß löschen, sondern der Poster soll dafür zur Rechenschaft gezogen werden.
So funktioniert ein Rechtsstaat.
Was Sie da fordern, dass Facebook einfach auf Zuruf irgendwelche Inhalte löschen soll, das ist Lynchjustiz. Schlimmer noch: Lynchjustiz ohne tatsächliche Nachteile für den Poster. Der postet das dann einfach gleich nochmal. Das macht Ihnen Arbeit, das macht Facebook Arbeit, das macht allen Ärger, das kostet Plattenplatz und Bandbreite, und zur Rechenschaft gezogen wird am Ende niemand.
Und wofür? Damit Sie sich besser fühlen! Das ist wie Mülltrennung!
Und hier kommen wir auch schon zum größten Problem: Sie wollen ja nicht bloß illegale Inhalte gelöscht haben. Sie wollen ja auch Inhalte weg haben, weil sie anstößig sind! Die Schranken für Volksverhetzung sind nämlich gar nicht so niedrig, wie man denken würde.
Und wie rückständig das ist, wenn jemand sich anmaßt, für andere zu entscheiden, welches Material anstößig ist und welches nicht, das sieht man ja auch sehr gut bei Facebook, wenn Bilder von stillenden Müttern gelöscht werden.
Und jetzt kommen wir mal zur moralischen Dimension. Nur weil es Gesetze gibt, heißt das ja noch nicht, dass die Gesetze auch gut sind! In China beispielsweise werden Bilder von Uiguren-Protesten unterdrückt. Und natürlich haben die Gesetze, die das decken. Aber wenn Facebook sich in China an die Gesetze hält und solche Bilder löscht, wie beurteilen Sie das dann? Ist das dann legitim? In Ordnung?
Bevor Sie also mal wieder […] den Lynchmob anstacheln, verwerfliche Inhalte zu melden, damit sie gelöscht werden, sollten Sie sich vielleicht mal fragen, ob wir heute Homosexualität oder Frauenwahlrecht als etwas Normales sehen würden, wenn wir in der Vergangenheit strikt nach Ihren heutigen Forderungen anstößige Inhalte immer sofort entfernt hätten. Hätte es die sexuelle Revolution gegeben? Wäre Abtreibung legal? Würden wir nicht eher immer noch Menschen wegen Blasphemie in den Knast werfen?
Und Sie können mir ja auch mal erklären, wie es zu einer politischen Debatte kommen soll, wenn man die Extrema des Spektrums direkt ausnimmt. Ist Ihr Menschenbild so negativ, dass Sie den Leuten nicht zutrauen, einen Kompromiss in der Mitte zu finden?
Kurz gesagt: Sie sollten sich was schämen. Sie machen da statt Journalismus Katastrophen-Tourismus, konstruieren Empörung und Blutspritzen und nehmen sich bei keinem Thema die Zeit, um zu mehr als Empörung zu kommen in ihren Beiträgen. Und dann wundern Sie sich, wenn die Leute die Medien nicht mehr ernst nehmen.
Was Sie da tun, ist mit der Bild-Zeitung auf deren Niveau konkurrieren zu wollen. Und die Tragik ist: Sie werden damit scheitern, denn die Bild-Zeitung hat mehr Erfahrung beim Schlammsuhlen.
Noch können Sie einlenken und was aus Ihrem Leben machen!