Fragen? Antworten! Siehe auch: Alternativlos
Doof wäre in dieser Situation nur, wenn die EU seine Rede jetzt zum Anlass und als Ausgangsbasis für Verhandlungen nimmt. Da kann er dann keinen Rückzieher machen von seinen Forderungen, und die EU kann damit Konzessionen erwirken.
Die EU hat erfreulicherweise genau das getan, und das auch noch in eine kinoreife Good-Cop-Bad-Cop-Routine verpackt. Ich zitiere mal den Guardian dazu:
As most European leaders rejected Cameron's demands for a radical overhaul of the terms of Britain's EU membership, the German chancellor indicated she was open to negotiating a "fair compromise".
Merkel ist also der Good Cop und bietet einen Kompromiss an. Nicht Konzessionen, einen Kompromiss. D.h. wir wollen auch was von Cameron sehen. Aber erstmal: was fordert Cameron eigentlich?He made clear he wanted repeal of the current working hours directive, a clawing back of EU powers in fields of environment, social affairs and crime, fewer EU commissioners and protection of UK rights in the single market
Das ist ein ziemlicher Hammer. Der größte Hammer ist natürlich, dass er aus der Zollunion aussteigen will. Natürlich will er das nicht wirklich, er will nur unilateral Zölle erheben können, aber das geht natürlich gar nicht, da wird die Merkel als faire Gegenleistung dann fordern, dass die EU-Mitglieder das auch mit britischen Waren dürfen. Das wäre ja sonst ungerecht. Aber die anderen Punkte lassen auch tief blicken. Er will mehr Umweltverschmutzung und Ausbeutung der Arbeiter. Thatcherismus 2.0 sozusagen. Was mit "social affairs and crime" gemeint ist, ist wohl im Moment noch weitgehend unklar. Aber "fewer EU commissioners" wird die Merkel sicher gleich als Steilvorlage nehmen, um da ein paar Abgesandte der Briten aus den Gremien rauszuoptimieren. Cameron hat nur zu verlieren, wenn irgendwas davon zu konkret wird in den Verhandlungen. Die Merkel wird jetzt vermutlich auf möglichst viele möglichst kurzfristige möglichst konkrete Punkte hinarbeiten. Mal gucken, wie doof sich der Cameron jetzt anstellt. Der einzige schlaue Zug für ihn ist "öhm, bin gerade beschäftigt, wie wäre es mit einem Treffen nach der Wahl?"Es gab zu dem Verhältnis der Briten und der EU mal eine großartige Szene aus Yes Minister. Leider hat die BBC den Schnipsel von Youtube entfernen lassen. Im Wesentlichen hat da Sir Humphrey dem staunenden MP Hacker erklärt, dass England schon immer nur zum Schein in Europa mitmacht, und das eigentliche Ziel ist, die anderen Länder alle beim Streiten zu halten, damit die sich gegenseitig vom Funktionieren abhalten, und das funktioniere ja seit Jahrhunderten erfolgreich, bis hin zu Kriegen, die die ständig gegeneinander führen. Ich fand den Clip immer sehr wichtig für die politische Bildung. Hoffentlich überlegt sich die BBC das nochmal anders und stellt die ganze Serie online. Hier ist die Szene als Transkript.
Abgesehen davon ist die wichtige Einsicht an der Stelle, dass der Haupt-, wenn nicht gar einzige Profiteur der EU Deutschland ist. Die Zollunion ist eine wirtschaftliche Waffe, mit der wir die anderen Länder zwingen, dass sie sich nicht gegen unsere Exporte wehren können und sie in ihre Land lassen müssen. Zölle gehen nicht, Subventionen verhindern wir über die WTO und da gibt es auch EU-Regeln gegen. Das ist im Wesentlichen eine ökonomische Massenvernichtungswaffe Deutschlands gegen die anderen Mitgliedsländer. Und England scheinen die ersten zu sein, die begriffen haben, in welchem Umfang sie das betrifft. Das mit den Strafzöllen ist ja auch eher ein Witz, oder fällt jemandem ein Produkt im Supermarkt ein, das aus England nach Deutschland exportiert wird? Englische Autos? Maschinen? Dienstleistungen? Walker Shortbread fällt mir da nur ein, aber das ist aus Schottland und die arbeiten ja gerade an einer Abspaltung von Großbritannien. Das sieht düster aus für England, und Cameron weiß das natürlich. Der einzige wirklich wichtige Markt für England sind die Banken und der "Export" von Briefkästen für windige "Ltd"-Firmen.