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Ich glaube, ich muss meine Position noch mal ausführlicher erläutern. Ich wollte nicht sagen, dass die wirtschaftlichen Aspekte nicht existieren. Ich wollte sagen, dass sie in der Netzneutralitätsforderung nichts verloren haben. Das kann man, wenn man möchte, in der Talkshow bringen, als untermauerndes Argument.
Wer sich mal anguckt, wie Politik im Allgemeinen funktioniert, der wird beobachtet haben, dass es immer ein Fehler ist, wenn man mehr als ein-zwei Argumente bringt. Ich skizziere mal:
Daher muss man sich auf die Kernargumente konzentrieren. Und man muss vor allem Argumente weglassen, bei denen Statistiken beide Seiten "belegen" können. Das eröffnet der Gegenseite nur die Strategie, einige Argumente anzuzweifeln (Vorbild: Tabakkonzerne), und dann die Sache als kontrovers hinzustellen. Gerade bei einer Sache, die so wichtig ist wie Netzneutralität, ist das eine sehr reale Gefahr. Daher haben Dinge wie die Innovationen der kleinen und mittelständischen Unternehmen in so einer Argumentation nichts verloren. Überlegt euch doch nur mal, wie einfach man da Fake-Argumente bringen kann! Beispiel: "wenn das stimmt, wieso sind Facebook/Xing/VZnet dann erfolgreich". Und schon verzettelt man sich in Definitionsfragen und Zahlen und Einschätzungen und das Thema kommt nicht voran.
Ich betreibe selber eine Firma und lebe vom Internet und seinen Möglichkeiten. Der wirtschaftliche Aspekt von Netzneutralität ist in gewisser Weise existentiell wichtig für mich. Aber als Argument taugt es trotzdem nichts.
Denn worum es eigentlich geht bei Netzneutralität ist: die Telekom darf nicht nachrichten.t-online.de vor blog.fefe.de bevorzugt zustellen. Ich bin als Sender im Internet genau so privilegiert wie alle anderen. Auch wenn viele das nicht nutzen, so müssen wir doch dafür kämpfen, dass sie das Recht dazu haben.
Im Übrigen fände ich es gut, wenn wir der Ehrlichkeit halber mal darauf hinweisen, was wir jetzt schon für Netzneutralitätsprobleme haben. Wenn aus Mobilfunknetzen VoIP nicht geht, wenn Skype geblockt wird, wenn man aus irgendeinem WLAN-Hotspot nur per Zwangsproxy rauskommt, das sind alles Verletzungen der Netzneutralität. DAS meinen wir, wenn wir Netzneutralität fordern. Das ist letztlich zum großen Teil eine Frage des Verbraucherschutzes. Konzerne dürfen ihre Kunden nicht verarschen. Wenn es nach mir ginge, fielen auch "Flatrates" mit Drosselung nach n MB Traffic darunter. In der Theorie sorgt der freie Markt dafür, dass Firmen mit sowas nicht durchkommen. In der Praxis funktioniert das nicht. Genausowenig, wie uns der freie Markt vor den diversen Blasen und den Abzockbanken geschützt hat. Ohne staatliche Regulierung funktionieren Infrastruktur-Branchen nicht. Die Firmen werden immer den einfachen Weg gehen und ihre Kunden verarschen.
Update: Kris argumentiert, man sollte den Kunden gar nicht erst das Wort "Flatrate" verkaufen. Klar, das wäre realistischer. Für die Provider. Aber das kann natürlich kein Provider als erster machen. Übrigens finde ich das auch nicht wünschenswert. Wenn wir die Brücke überqueren, dann bauen die ihre Netze noch weniger aus als jetzt schon. Im Moment, wenn ein Provider 100 Millionen Euro zu investieren hat, dann baut er damit mehr Enduser-Anschlüssel und nicht mehr Backbonekapazität. Denn für die Enduser-Anschlüsse kriegt er direkt Geld, für die Backbonekapazität nicht. Denn die senkt nur für die bestehenden Kunden die Schmerzen, die zahlen dann nicht mehr. Der Anreiz zum Backbone-Ausbau kommt daher, dass Zeitungen "Geschwindigkeitstests" machen und publizieren, und dass die Kunden ihre Flatrates auch einfordern. Dieser zweite Teil liegt aber nur daran, dass den Kunden Flatrates verkauft wurden und kein Best-Effort-Ranznetz. Ich halte es daher für nicht gut, davon abzuweichen. Im Gegenteil brauchen wir eher mehr Anreize für die Provider, auch ihren Backbone und ihre Außenanbindung zu skalieren und nicht nur die Einwahlinfrastruktur. Sonst können Firmen wie die Telekom ihre marktbeherrschende Stellung im DSL-Markt benutzen, um ihre Hosting-Angebote zu fördern, indem sie absichtlich ihre Außenabindung kleinhalten.