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Eroll Morris wollte eigentlich einen Film über Vietnam machen, und hatte ein 20 Minuten Segment mit McNamara geplant, aber als der losredete, war das so spannend, und er wollte gar nicht mehr aufhören, daß Morris stattdessen einen Film über McNamara daraus gemacht hat. Und ein Glück, denn dieser Film ist atemberaubend gut. McNamara war beim Drehen 85 Jahre alt, und das ist so eine Art Lebensbeichte. Er äußert sich zu Vietnam, und geht auch immer wieder darauf ein, wie er das alles moralisch vor sich rechtfertigt. Und das ist, was diesen Fiml so einzigartig macht. McNamara bricht an einer Stelle im Film fast in Tränen aus, und zwar als er beschreibt, wie die Amis die Bomber über Tokio umfunktioniert haben, so daß die aus der halben Höhe bombten, dadurch viel genauer trafen, aber einer der US-Piloten starb. In der einen Nacht haben sie 100000 Japaner getötet, Zivilisten, Frauen und Kinder, in ihrem Schlaf. Denen weint McNamara keine Träne nach. Aber der eine Pilot, der bringt ihn außer Fassung.
Viele der Sachen tut er ab, indem er davon spricht, daß Menschen eben Fehler machen, und er habe halt seinen Anteil an Fehlern gemacht. Und er fängt auch richtig zu rechtfertigen an, aber halt in die andere Richtung. Den einen toten Piloten, das müsse man schon hinnehmen im Krieg, wenn man die Japaner nicht abgeschlachtet hätte, dann hätte man eine Invasion machen müssen, und dabei wären womöglich US-Soldaten gestorben. Dieser Film ist (wie viele meiner Empfehlungen) sehr harter Tobak, und man muss sich Zeit dafür nehmen. Dafür wird einen dieser Film über Jahre begleiten. Sehr eindrucksvoll auch seine Ausführungen zur Kubakrise. Fidel Castro hat ihm später erzählt, daß da nicht nur Raketen auf Kuba waren, sondern auch 162 Atomsprengköpfen, und daß er, Fidel, damals Chruschtschow aufgefordert habe, diese Atomraketen auf die Amis abzufeuern, obwohl klar ist, daß Kuba dabei komplett zerstört würde. Eine Schlüsselszene in dem Film ist, wie McNamara gerade am erzählen ist, und da wirft Morris aus dem Off ein, die USA hätten ja auch gerade eine Invasion versucht, woraufhin McNamara leicht aus dem Konzept gerät, und auspackt, daß es mehrere Attentatsversuche auf Castro gegeben hatte.
Sie haben an dem einen Schlüsseltag dann zwei Meldungen von Chruschtschow gekriegt. Die eine war von einem "betrunkenen oder sehr stark unter Streß stehendem Mann" und war eher versöhnlich, die andere von Hardlinern, die auf Konfrontation gingen. Das war alles so eine Haaresbreite damals, da will man gar nicht tief drüber nachdenken müssen.
Anderes Detail, wo ich froh war, daß das mal jemand anspricht: bei dem Atomwaffensperrvertrag mit den Russen war der Hintergrund, daß die Amis zu dem Zeitpunkt viel mehr Atombomben als die Russen hatten, und sie hatten 10 Mal so viele Atomtests gemacht, und die Amis fühlten sich daher deutlich überlegen, und wollten den Status Quo so festschreiben. Er zitiert dann lustigerweise einen Hardliner, der den Vertrag mit der Begründung ablehnte, die Russen würden dann bescheißen, indem sie ihre Tests auf der dunklen Seite des Mondes durchführen würden! Unfaßbar, wie die Leute damals drauf waren! Naja, was soll ich sagen. Guckt euch den Film an. Macht es am besten an einem Freitag abend oder Samstag, damit ihr das am nächsten Tag verarbeiten könnt, was ihr da gesehen habt.