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hier meldet sich der ehemalige Rechtsmediziner aus Deiner Leserschaft zu der Aussage „die COVID-19 Patienten wären ja sowieso bald gestorben“.Davon sollte man immer erstmal ausgehen, dass Dinge nicht böswillig gemeint sind.Das erste was ein angehender Arzt lernt ist, dass man nie abschätzen kann, wie lange jemand noch lebt. Natürlich, pre-final geht das einigermaßen, da handelt es sich aber um Stunden. Für einen ‚normalen‘ Patienten, egal mit wie vielen Vorerkrankungen geht das im Einzelfall gar nicht.
Was man in der Rechtsmedizin lernt, ist die Schwierigkeit von exakten Todesursachen bei natürlichen Todesfällen. Da ist der 80zig Jährige, der bei der Obduktion keine morphologisches Todesursache bietet, aber auch der, den man an 5 verschiedenen Krankheitsbildern ‚sterben lassen kann‘. Im Allgemeinen gilt, das sich auch nach Obduktion und anschließender mikroskopischer und toxikologischer Untersuchung in 5% der Fälle keine Todesursache findet. Das ist immer ein guter ‚Qualitätsmarker‘.
Die restliche Lebenszeit ist somit nur ein statistischer Wert, der über den Einzelfall so gar nichts aussagt. Damit sind natürlich auch Aussagen wie „wäre sowieso bald gestorben“ einfach unzulässig. Das verbietet meines Erachtens auch den ‚Life Years Lost‘ Ansatz für die Schadensersatzberechnung zu nutzen, aber mit der Meinung bin ich so ziemlich alleine.
Anbei ein Paper, das den ‚Life Years Lost‘ Ansatz auf COVID-19 Patienten anwendet. Dabei wird das eher krude Vorgehen deutlich, das aufgrund fehlender Daten heute noch benutzt wird: Alle betrachteten Vorerkrankungen sind gleich wertig, eine Kreuzkorrelation der Vorerkrankungen in Bezug auf die COVID-19 Mortalität wird nicht untersucht, eine Suche nach ‚fehlenden‘ Risikofaktoren nicht diskutiert, eine Gruppierung der Daten wird nach Fallzahl und nicht sachlogisch durchgeführt… Und dann ist die betrachtete Lebenszeitverkürzung in Jahren quantisiert. In der Krebsforschung werden Medikamente zugelassen, die das Leben um Tage/Wochen verlängern und hier spielen Lebensjahre keine Rolle mehr?
Ich hoffe die gesamte Debatte ist mehr durch Ignoranz als durch bösen Willen entstanden.