Fragen? Antworten! Siehe auch: Alternativlos
Die meisten Abmahner freuen sich über Leute, die sofort bezahlen, und legen alle, die sich zur Wehr gesetzt haben, auf einen großen Stapel, den sie vor Ablauf ihrer eigenen Verjährungsfrist nochmal wieder abarbeiten – oder am Stück an Inkassogeier zum Nochmal-Probieren verticken. Wenn man denen also eine Frist gesetzt hat und die nicht innerhalb der Frist antworten, stehen sie selber mit einem Bein im Gerichtssaal, lassen es aber meistens drauf ankommen, entweder weil sie nicht damit rechnen oder weil sie sich im Recht fühlen, auch die negative Feststellungsklage zu gewinnen.
Nachdem nun publik wurde, dass die Klage eingereicht wurde, haben Waldorff und Frommer sofort alle Forderungen aus der Abmahnung gegen die Freifunker zurückgenommen – für die notorischen Abmahner aber leider, leider zu spät, da das Verfahren formal schon eingeleitet wurde. Die Freifunker wiederum wollen natürlich die gerichtliche Entscheidung.
Mit der Klageschrift liegt nun ein recht ordentlich ausgearbeitetes Template vor, mit dem sich jeder schon recht solide verteidigen kann, der unberechtigt abgemahnt wurde und es darauf ankommen lassen will. Unberechtigt ist die Abmahnung – kurz gesagt –, wenn man es nicht selber war, sondern Haustier, Nachbar, Gast oder Familie und das – ganz wichtig – auch nicht nur wie ein blöder Vorwand daherkommt. Im Kern geht es den Freifunkern darum, die sogenannte Störerhaftung abzuschießen – also das obrigkeitsdenkende Prinzip "den Letzten beißen die Hunde", dass sich doch gefälligst keinerlei Handlung im Internet ohne einen Schuldigen zutragen darf, den man dafür belangen kann. Dieses Artefakt sorgt zuletzt dafür, dass sogar das von der Kommune Potsdam initiierte Stadtfunk-Netz sämtlichen von ihren öffentlichen Zugangspunkten entstandenen Traffic durch einen Tunnel nach Slovenien fallen ließ – aus Angst vor der Abmahnindustrie.
Bei den Freifunkern hat es geklappt.
Am besten wäre natürlich, wenn sich nun genug Leute gegen unberechtigte Abmahnungen wehren, damit das Geschäftskonzept von "die meisten Leuten werden lieber bezahlen, um Ruhe zu haben, statt sich einen Anwalt zu nehmen" endlich platzt. Also: Wenn man ungerechtfertigt abgemahnt wird, sofort mit Fristsetzung bestreiten und androhen, gerichtlich feststellen zu lassen, dass die Abmahnung unberechtigt ist. Dazu braucht man erstmal keinen Anwalt. Wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die Abmahner hätten erkennen müssen, dass die Abmahnung unberechtigt ist, muss der Abmahner sogar die eigenen Anwaltskosten übernehmen. Daran arbeiten die Freifunker jetzt.
Es gab zu dem Themenkomplex auch schon mal ein Chaosradio und wir hatten auch auf dem 29c3 was dazu.
Wir haben auch Männer-Vorträge über depressive Hacker und Hackerspaces. Solche Themen sind nicht per se schlecht.
Aber wieso melden sich auf so einen Call for Papers nicht mehr von den Frauen, die coole Dinge tun. Also Dinge, die sich Männer in dem jeweiligen (technischen!) Fachbereich angucken und sagen: Respekt! Nicht Respekt im Sinne von "Hast du aber fein gemacht, das schnuckelige Python-Skriptchen *tätschel*" sondern Respekt im Sinne von "Whoa, in der Forschungsgruppe wäre ich auch gerne gewesen, dann wäre vielleicht ein bisschen von der Coolness an mir hängen geblieben". Wieso gibt es sowas so selten?
Auch von Männern gibt es solche Hammer-Vorträge viel zu selten. Aber wir hätten genug Platz für alle Frauen und alle Männer mit Hammer-Vorträgen. Und wenn wir ihn nicht hätten, würde ich sagen: Scheiß auf die Männer, die hatten ihre Chance.
Wo bleiben die Frauen mit den Hammer-Vorträgen?
Im vertraulichen Gespräch kommen von Frauen dann gerne so Ausreden wie "ich trau mich nicht" oder "die Forschung war noch nicht so weit" oder "ich inszeniere mich halt nicht gerne". Lasse ich alles nicht gelten. Männlichen Nerds geht das genauso. Fast keiner ist zum Redner geboren, und ich konnte bisher beobachten, dass sich "kann reden" und "hat was zu sagen" in der Praxis im Allgemeinen gegenseitig ausschließt.
Also, liebe Community. Erklärt mir das mal. Was muss man machen, damit die Frauen kommen und ihren coolen Scheiß vortragen?
Wer keine Antwort hat aber trotzdem helfen will, kann mir auch mal erklären, wieso es generell weniger Hammer-Vorträge gibt in letzter Zeit. Oder ist das nur mein Eindruck und er täuscht?
Update: Die Statistik-Erklärung, die jetzt einige bringen, liegt natürlich auf der Hand. Gibt weniger Techie-Frauen, also gibt es auch weniger mit Hammer-Vorträgen. Das andere Argument ist die Sozialisierung. Gegen die Statistik kann ich nichts sagen, das stimmt natürlich. Die Hoffnung war, dass wenn wir ein-zwei Hammervorträge anziehen können, dass das dann als Vorbild dient und mehr Frauen zu Hammervorträgen animiert. Das funktioniert entweder nicht oder so langsam, dass das positive Feedback nicht in ausreichendem Maß bei uns ankommt. Also bei mir. Die anderen sehen das möglicherweise anders.
Das mit der Sozialisierung glaube ich nicht. Frauen werden nicht alle zu Prinzesschen erzogen. Ich sah da vor ner Weile eine Dokumentation zu, wo sie recht klar herausgearbeitet haben, dass das mit der Pubertät anfängt, dass Frauen zurückhaltender werden und sich nicht mehr an "Männerkram" rantrauen. Die Prinzessin-Phase ist aber eher davor, oder nicht? Im Übrigen wollen wir das ja gerade bekämpfen, indem wir gezielt Vorbilder-Vorträge wie auf dem 29c3 den mit den Tamagotchis oder den "weird machines"-Vortrag reinnehmen. Wieso funktioniert das nur so wenig / langsam?
Update: Interessante These: Vortragsauswahl anonymisiert machen und das auch offen so ansagen. Die Behauptung ist, dass Frauen deshalb nicht kommen, weil sie keinen Bock haben, wegen ihres Geschlechts reinzukommen, als Quotenfrau, oder dass das auch nur so aussieht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Qualität nicht leidet, wenn man sich das Bewertungsinstrument des Feedbacks zu früheren Vorträgen aus der Hand nimmt. Aber vielleicht käme das mal auf einen Versuch an.
Update: Nachdem hier einige Berufsempörte aufschlugen und sich an dem "An Sozialisierung glaube ich nicht" aufhängen: Ich glaube da deshalb nicht dran, weil daraus folgen würde, dass wir eh verloren haben und unsere Bemühungen einstellen können. Wenn die Frauen von "der Gesellschaft" halt so sozialisiert sind, dass die nicht hacken wollen, dann sind unsere Bemühungen eh vergebens und zum Scheitern verurteilt. Dann können wir höchstens parallel einen Strickwettbewerb ausschreiben, wenn wir mehr Frauen anziehen wollen. Nein, das akzeptiere ich (noch) nicht.
Ihr könnt euch sicher meine immense Überraschung vorstellen, als ich heute diese Meldung hier sah.
Die Materialsammlung sei durch V-Leute-Informationen auch an höchster Stelle verseucht.Na sowas!1!! Also DAMIT konnte ja wohl NIEMAND rechnen!
Awarenessteam? Ja, wir hatten ein Awarenessteam. Das A-Team war mit 8 Teilnehmern sehr großzügig besetzt, wenn man bedenkt, dass es aus Sicht des Clubs keine Anzeichen dafür gab, dass es hier wirklich ein Problem gibt, und dass der Club an anderer Stelle Probleme hatte, genügend viele Freiwillige zu finden, um alle nötigen Aufgaben während des Kongresses erledigen zu können. Es gab auch mehrere Gender-Vorträge im Programm, das ist unter Hackerkonferenzen ein Alleinstellungsmerkmal. In einem Programm, das sich dann auch prompt als "hat zu wenig Tech-Talks" beschimpfen lassen musste.
Ich muss ein bisschen ausholen, um das Mimimi zu rechtfertigen, was gleich kommt. In der Berichterstattung über den 29c3 gab es den schönen Satz, dass die Hamburger Behörden das Konfliktpotential beim 29c3 geringer als bei einem Kirchentag einschätzen. Das würde ich sogar noch drastischer formulieren wollen. Wenn man auf dem Congress eine kaputte Fernbedienung irgendwo liegen lässt, wird die nicht nur nicht geklaut, sondern mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit hat sie der Finder auch gleich noch repariert. Ein Kumpel hat auf dem Camp sein Auto abzuschließen vergessen. Das stand da ein paar Tage unabgeschlossen rum. Niemand hat es geklaut, auch das Autoradio war noch da. Nach dem Camp fuhr er in die Innenstadt, parkte, schloss ab, ging kurz was essen, kam zurück, da war das Auto aufgebrochen und der Inhalt geklaut. Hacker sind zwar manchmal sozial gestört, introvertiert, werden in der Schule gemobbt, aber gerade das sorgt dafür, dass sie Respekt vor der Privat- und Intimsphäre Anderer haben und nicht übergriffig werden. Gibt es Ausnahmen? Bestimmt. Außerdem kommen zu so einer Massenveranstaltung ja nicht nur Hacker. Und wir machen ja am Eingang keine Gesinnungskontrolle mit Lügendetektor. Und dann gibt es da noch den Einfluss von Alkohol und anderen Drogen.
Der Congress ist ein Community-Event. Das ist kein "die Orga macht und ihr konsumiert". Die Vorträge kommen aus der Community, die Helfer kommen aus der Community, die Orga rekrutiert sich aus der Community, sogar die Auswahl der Vorträge ist ein Community-Ding. Wer etwas auf dem Congress haben möchte, der bringt die nötigen Teile mit und macht es einfach. "Die Orga" schafft die nötige Infrastruktur (Strom, Licht, Wasser, Internet, Platz, Blog, Wiki), den Rest machen die Teilnehmer selbst. In diesem Kontext muss man sich die Bestürzung des A-Teams vorstellen, als der erste Konfliktpunkt war, dass jemand im Wiki eine Seite mit sexistischem Dummschwall hinterlassen hatte. Und das war jetzt nicht mal Kram, der Argumente hatte, und möglicherweise Schaden anrichten kann, weil er Leute umstimmen könnte, sondern offensichtlicher Vandalismus. Das ist ein Wiki. Die korrekte Reaktion wäre gewesen: Dummschwall löschen. Der Edit-Button ist auf der Seite selbst. Klicken, Text rausnehmen, Submit klicken, fertig. Ein Dutzend Menschen haben sich auf Twitter über diese Seite empört. Niemand hat den Edit-Button gefunden. Und keiner rief bei der Hotline an.
Ein anderes Beispiel war, dass jemand aus den Creepercards einen Frauenkörper gelegt hatte. Erinnern wir uns kurz daran, was ein Hacker ist. Ein Hacker ist jemand, der kreativ mit Dingen umgeht, die andere nur wie vorgesehen benutzen würden. Hier hat jemand Creepercards gesehen und ist damit kreativ umgegangen. Genau diese Art von Menschen wollen wir haben! Die aus an sich negativen Dingen Kunst machen können! Das war aus meiner Sicht auch das Hauptproblem und Auslöser für die unentspannten Momente, dass die meisten Besucher die Karten nicht ernst nahmen, sondern für einen Spaß hielten. In einem Umfeld, in dem Pro-Guttenberg-Demonstrationen organisiert werden und in dem Leute mit Fnord-T-Shirts herumlaufen, die täuschend echt nach dem Ford-Logo aussehen, ist das ja wohl auch nicht verwunderlich, denn die Karten erfüllten alle Kriterien von Satire: kein Ansprechpartner genannt, keine Anleitung oder Einführung zum Schaffen eines Problembewusstseins dabei, keine weiterführenden Links, anhand derer man sehen kann, was einem da eigentlich gerade konkret vorgeworfen wird und wie man sein Verhalten ändern soll, und aus Sicht der meisten Besucher bestand auch kein Bedarf an einer Lösung für das Sexismus-Problem, weil das Problem so nie wahrgenommen wurde. Ich würde sogar konstatieren, dass die Karten für ihren vorgeblichen Zweck offensichtlich völlig ungeeignet waren, aber das hat auch mit dem Congress zu tun, der ja nicht grundlos Chaos Communication Congress heißt. Beim Congress geht es um das Kommunizieren. Sexismus ist ein soziales Problem, sowas löst man, indem man miteinander redet. Diese Karten sind kein Kommunikationsmittel, sondern ein Kommunikationsbeendigungsmittel. Das ist kein Kommunizieren, das ist ein Pranger. Auf den roten Karten stand sinngemäß drauf, man solle froh sein, dass man nicht direkt einen in die Fresse gekriegt habe, und stattdessen nur diese Karte hier überreicht bekommen hat. Wer körperliche Gewalt androht, hat sich in jeder auf Kommunikation aufbauenden Kultur direkt vollständig und nachhaltig selbst disqualifiziert. Ich für meinen Teil habe die Debatte im Vorfeld partiell mitgekriegt und nahm an, dass die Karten ernst gemeint waren. Der Großteil der Congressteilnehmer wusste das nicht und hielt das für einen schlechten Scherz. Dementsprechend wurden dann damit gespielt. Das Spektrum ging vom erwähnten Frauenkörper über ein Penis aus grünen Karten, über eine Krone, ein Minecraft-Creeper, ein Brustpanzer (sehr meta!) bis hin zu Space Invaders. Für Penis und Frauenkörper gibt es inzwischen ein Bekennerschreiben. Das A-Team hat sich mit denen hingesetzt und ihnen erklärt, dass das eine Provokation sei und für die Gesamtsituation nicht förderlich, und dann war das weg und alles war wieder gut. Kommunikation hilft nämlich in solchen Situationen — im Gegensatz zu Pranger-Karten.
Der andere wohlpublizierte Fall war das Hacker Jeopardy, bei dem auf Twitter die größte Empörung von Menschen kam, die überhaupt nicht auf dem Congress waren. Und nur ein verschwindend geringer Bruchteil von denen hatte die Integrität, das auch dranzuschreiben an ihre Tweets. Ich empfehle jedem, sich erstmal in Ruhe den Stream anzugucken, bevor sich da irgendwelche Meinungen auf Basis von Hysterie-Tweets anderer Leute bilden. Die rote Karte ist ihrem Text nach zu urteilen ausdrücklich für wirklich widerliche, handgriffliche, physische Übergriffe gedacht, so Kategorie "Angreifer nähert sich mit heruntergelassener Hose und ausgestreckten Händen in Grabbelhaltung". Ich kann es den Moderatoren angesichts der geradezu lächerlichen Zoten, derer sie da angeklagt werden, nicht übel nehmen, dass sie die Übergabe der roten Karten für eine Satire-Handlung hielten. Zumal hier mit unproportionaler Agressivität auf Witze über die Creepercards reagiert wurde, nicht über Frauen oder Minderheiten. Über die Karten. Es gab danach ein Gespräch zwischen den Moderatoren und dem A-Team und jetzt sind die Missverständnisse ausgeräumt. Kommunikation hilft nämlich bei sowas, Karten nicht.
Sehr spannend beim Hacker Jeopardy ist auch, dass bei all dem gerechten Zorn und der Hysterie auf Twitter (bis hin zu "Macker-Jeopardy" und Aufrufen, die Moderatoren rauszuschmeißen und Hacker-Jeopardy zu verbieten!) kaum jemand sagen konnte, was eigentlich der Auslöser war. So nichtig war der Auslöser. Eine Version, die ich hörte, war dass jemand angesichts der offenen Frauenförderung der Moderatoren gegen die positive Diskriminierung protestieren wollte. Dem kann man sich jetzt inhaltlich anschließen oder nicht, aber eine rote Karte für positive Diskriminierung ist ja wohl völlig indiskutabel.
Unter dem Strich stellte sich bei Einigen die Befürchtung ein, dass es bei diesen Karten gar nicht darum geht, irgendein tatsächlich vorhandenes oder eingebildetes Sexismus- oder Übergriffsproblem zu lösen, sondern es nur um das Kaputtmachen des Kongresses geht. Es gab da im Vorfeld einige Tweets und Blogkommentare im Umfeld der Klotür-Geschichte, die sich so deuten ließen. Auf der anderen Seite soll man niemandem bösen Willen unterstellen, nur weil das Ergebnis ihrer Bemühungen negativ ist und sie ihren Kurs nicht korrigieren. Daher gab es Gespräche zwischen A-Team und der Flauscheria und (soweit bekannt) den Mitbringern der Creepercards, die am Ende in einer "Policccy"-Gesprächsrunde mündeten. Das Ergebnis war ernüchternd. Die Creepercard-Verantwortlichen schoben das Versagen der Karten der Congress-Orga in die Schuhe. Einige der üblichen Verdächtigen kamen gar nicht erst zu dem Treffen. Das hat die Fronten eher verhärtet, auf Clubseite fallen jetzt vereinzelt Wörter wie "Agitation", und es stellt sich das Gefühl ein, dass hier jemand angereist ist, um Vorwände für Empörung zu suchen, und wenn kein Problem da ist, dann konstruiert man halt eines, indem man zu einer Gameshow spät in der Nacht geht und dort die flapsige Moderation anprangert. Das fühlt sich alles an wie ein Trollversuch, nicht wie der berechtigte Hinweis auf ein tatsächliches Problem. Und der Verlierer ist am Ende der Kampf gegen den tatsächlichen Sexismus, denn hier werden Begriffe wie "Sexismus", "Vergewaltigung", "Rape Culture" u.ä. so inflationär durcheinandergeworfen, dass am Ende jemand mit einem wirklichen Übergriffsproblem statt der nötigen Hilfe ein "Haha, hat dir jemand was an die Klotür gemalt?" kriegt, weil drumherum so viel undifferenziert hyperventiliert wurde.
Wie fließend die Übergänge zwischen Satire und Realität waren, kann man anhand dieses Tweets an sich selber prüfen. Ist das jetzt ernst gemeint oder Satire? Die können doch nicht ernsthaft eine Flauschecke aufmachen und dann Knutschende rausschmeißen? Oder doch? Schon während des Kongresses hat die Presse angefangen, explizit nach Frauen auf dem 29c3 zu suchen. Ihr werdet doch bestimmt auch krass unterdrückt hier, oder? Operation erfolgreich, Patient tot.
Oder wie ist es hiermit? Die Karten haben nicht nur die Stimmung vergiftet, sondern selbst zu mehr Belästigung geführt als es vorher ohne sie gab und sie zu bekämpfen vorgaben. Klar, man kann da jetzt Unwissenheit, Naivität und Inkompetenz unterstellen. Oder man kann davon ausgehen, dass das die Absicht war. Ich habe mir meine Meinung noch nicht zu Ende gebildet an der Stelle, tendiere aber alleine aus verschwörungstheoretischen Gründen grundsätzlich zu Absicht.
Unabhängig davon ist der Schaden natürlich jetzt angerichtet. Weil hier ein paar Menschen ihr Lebensbild dem Rest der Welt aufdrängen wollten, hat der Kongress jetzt nicht nur Gender-Trolle sondern auch Maskulinisten am Bein, und Taliban aller Couleur. Hier wird "ich fühle mich belästigt" zum Maßstab für das Handeln aller Anderen erhoben. Was wenn nächstes Jahr die katholische Kirche oder die Scientologen ankommen und sich in ihrer Religionsausübung unterdrückt fühlen? Einer der Vorträge dieses Jahr war Sprache, Ungleichheit und Unfreiheit von Anatol Stefanovitsch. Das hätte die Debatte voranbringen können, aber ging so im Gezeter über "Macker-Jeopardy" unter.
Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass der CCC seit Jahren gegen die Vorratsdatenspeicherung kämpft, weil dort weite Teile der Bevölkerung unter Pauschal-Verdacht gestellt werden. Einer der NSA-Whistleblower hat in seinem Vortrag erwähnt, dass eine der wichtigsten Freiheiten die Freiheit von Verdacht und Ermittlung sei. Und jetzt kommen hier ein paar selbsternannte Aktivisten und fordern von uns, dass wir unsere Teilnehmer unter Pauschalverdacht stellen und Warnhinweisschilder aufstellen, dass sexuelle Übergriffe und Sexismus bei uns unerwünscht sind. Das zeugt von einem so geringen Ausmaß an sich vorher mal auf die Zielgruppe eingelassen habens, dass solche Leute bei mir direkt verloren haben und das auch nur unter größtem Aufwand wieder reparieren können. Überhaupt drängt sich der Eindruck auf, dass die lautesten Kritiker noch nie auf einem Kongress waren.
(Kurzes Intermezzo) Wo kommen diese Creeper-Cards eigentlich her? Aus den USA. Dort herrscht eine völlig andere Hacker-Konferenz-Kultur. Auf der Defcon liefen vor ein paar Jahren Porno-Modelle halbbekleidet herum und machten Werbung für diese Porno-Produktion, bei der ein Model die nmap-Homepage vorliest. Da gibt es auch eine ganz andere Prüderie und ein höheres Alterslimit für Alkohol, was sich dann auf Konferenzen so niederschlägt, dass hormonell unbalancierte Jugendliche zum ersten Mal Alkohol trinken und mit weiblichen Brüsten konfrontiert werden und dann enthemmt Frauen angraben. Die Leute, die diese Karten nach Deutschland geholt haben, kennen vermutlich weder die Defcon noch den Kongress. Die Defcon findet übrigens in Las Vegas statt, d.h. das Ambiente dort sind Spielhöllen, Showgirls und Stripper.
Die Lautesten unter den Empörten waren auch diesmal nicht vor Ort sondern empörten sich aus der Ferne. Einige kamen beim Kongress direkt mit einer Haltung wie "respektiert mich endlich auch mal und hört mit dem Grapschen auf" an, und wunderten sich dann über das Unverständnis derjenigen, die seit Jahren da sind und noch nie von Grapschproblemen gehört haben und bei denen man sich Respekt erarbeitet und nicht einfach nur einfordert.
Zusammenfassung: Probleme löst man, indem man über sie redet. Nicht indem man andere Leute öffentlich an den Pranger stellt. Die Creeper-Karten haben so viel Schaden angerichtet, dass selbst wenn jemand noch einen positiven Aspekt nachweisen kann, netto nur Verlust übrig bleibt. Das war alles vorher schon absehbar. Es ist eine Schande, dass Einzelne das Kaputtmachen einer so schönen Sache wie des Kongresses billigend in Kauf nahmen, und dabei noch als Kollateralschaden ihr vorgebliches Anliegen der Sexismusbekämpfung generell beschädigen. Ich hoffe sehr, dass da jetzt alle was draus gelernt haben.
Update: Hier kommt gerade eine Mail von einem der beiden rein, die die erste rote Karte überreicht haben, mit Bitte zum als Update dranhängen. Ich zitiere mal:
Wir haben uns spontan ueberlegt ob es gelb oder rot werden soll. Du hast recht: 'rot' sollte eigentlich bei krassen Grenzueberschreitungen, insbesondere auch taetlichen Uebergriffen, verwendet werden. Insofern haben wir uns auch die Frage gestellt, ob 'rot' vllt zu krass waere. Unser Argument fuer 'rot' war letztlich: diese Buehne, die ganze mediale Aufmerksamkeit — das wirkt alles als Multiplikator fuer den 'normalen' Alltagssexismus, der von der Moderation verbreitet wurde. Aus diesem Grund wurde es 'rot'.
Update: Und jetzt kommt auch noch raus, dass die vielzitierten angeblichen Übergriffsfälle einer der zentralen Anklägerinnen in Sachen Sexismus auf dem Kongress auch nur Hörensagen Dritter sind und als sie sich selbst als Opfer eines Übergriffs fühlte, rief sie nicht die Hotline an. Wenn ich einer der Hotline-Freiwilligen wäre, würde ich mir da auch ziemlich verarscht vorkommen. Und dann anzweifeln, dass man ihr geholfen hätte. Ganz großes Tennis. Ich stelle mir da so eine Stille Post vor, aber immer im Kreis herum und in einer Echokammer.
Update: Wird immer übler:
Ich rante wann und wo ich will. Und die Sache kann mich mal kreuzweise.
Update: Mir erzählten übrigens mehrere Leute, dass jemand eine gelbe Karte erhalten haben soll, weil er einer Frau die Tür aufgehalten habe. Weil das positive Diskriminierung ist.
Update: Hier ist übrigens die Liste der Verantwortlichen. Nota Bene: das sind alles Macker, die da den armen wehrlosen Frauen ihre Probleme "lösen", ob die einverstanden sind oder nicht. Und sie wollten ursprünglich nur gelbe und rote Karten drucken.
Das ging von "*dingdong* Herzlich willkommen am Flughafen Köln-Bonn" über "wir suchen mal dringend jemanden, der sich mit Mediawiki und Varnish auskennt", und gestern nacht gegen halb drei hörte ich beim Rausgehen noch zwei wunderschön nachgesprochene Durchsagen aus Portal, "Where are you" und "I don't hate you". Heute gab es dann noch einen "*starwarsjingle* Der Stormtrooper wird gebeten, sich am Infotresen zu melden" \o/
Ich hoffe sehr, dass das jemand archiviert hat, denn das alleine hat viel für die schöne Atmosphäre des 29c3 getan.
Ich hatte ansonsten nur noch Zeit für den Hashfunktionen-Vortrag, den ich auch nur empfehlen kann. Nicht nur kurzweilig und informativ sondern man kann auch direkt mal was konkretes mitnehmen, was man in seiner Programmierpraxis ändern kann. Ich habe übrigens angesichts dieses Vortrages auch mal einen Bug gegen gcc geöffnet, damit die die Hashfunktion in der C++-Laufzeitumgebung ändern. Mal gucken, was daraus wird.
Weil da schon einige Nachfragen kamen: das CCTV-Abflex-Video gibt es hier. Wir haben am Anfang ein bisschen gekürzt.
Wir möchten uns auch ausdrücklich bei Anne Roth entschuldigen, die die undankbare Aufgabe hatte, heute morgen als ersten Vortrag im Programm über den Verfassungsschutz zu sprechen, und die im Fnord-Rückblick zusehen musste, wie wir (nicht absichtlich, versteht sich) einige ihrer Pointen verbrannt haben. Tut uns leid! Ging uns aber partiell auch so; die NSA-Whistleblower hatten unter anderem eine Folie, die dazu aufrief, dass man doch bitte mehr Spam mit spannenden Schlüsselwörtern verschicken solle, und wir hatten eine Folie, dass der BND bei seiner "strategischen Email-Aufklärung" hauptsächlich mit Spam-Auswertung beschäftigt ist. Da muss man auf so einer Veranstaltung halt durch. Doppelt hält ja auch besser :-)
Ich bin insgesamt jedenfalls ausgesprochen erfreut, wie schön der Congress war, und möchte mich bei allen Organisatoren und Helfern bedanken, dass sie uns so ein cooles Event ermöglicht haben. Und der CCC hat unser aller Dank verdient, dass er das Event überhaupt veranstaltet hat, obwohl es bis zuletzt deutlich so aussah, als ob da rote Zahlen bei rauskommen würden. Zuletzt hörte ich, dass es nach einer schwarzen Null oder sogar einem kleinen Plus aussieht. Verdient, wie ich finde! Und unter solchen Umständen noch am eigenen Ast zu sägen und die Vorträge nicht nur live kostenlos ins Internet zu streamen sondern auch noch innerhalb von 24h bei Youtube oben zu haben, das muss man würdigen. Ich möchte an der Stelle auch darauf hinweisen, dass der CCC keine technischen Anforderungen an Mitglieder stellt. Man muss kein Hacker sein, nicht mal einen Computer haben, um beitreten zu können. Wer dem CCC also helfen will, der ist herzlich eingeladen Mitglied zu werden (und sich dann natürlich auch einzubringen). Aber man kann auch einfach nur so Mitglied werden, um regelmäßig über den Mitgliedsbeitrag den Club zu sponsorn.
Eine Beobachtung sei mir noch erlaubt: auf dem Congress gab es auch eine Flauschecke, und beim Rumlaufen glaubte ich beobachten zu können, dass das die Ecke mit den am wenigsten entspannt wirkenden Besuchern war. Ich weiß nicht, was da der Hintergrund war, aber wer auf einer Veranstaltung wie dem 29c3 abends nach Einsetzen der Dunkelheit nicht tiefenentspannt aussieht, während drumherum alle ausgelassen Party feiern oder mit Tschunkslushie im Bällebad chillen, der macht irgendetwas fundamental falsch.
Update: An der Stelle sei auch noch mal ausdrücklich FEM gelobt, die wieder einmal das Video-Team gestellt haben und die Videos zum Download anbieten. Ihr rockt! Mir ist keine andere Veranstaltung dieser Größenordnung bekannt, bei der das auch nur annähernd so gut klappt!
Danach hab ich mir den Vortrag "Die Wahrheit, was wirklich passierte und was in der Zeitung stand" vom Neusprech-Team angeguckt, der wie erwartet sehr gut war, auch wenn sie von mir aus gerne noch eine halbe Stunde hätten überziehen können. Auch klare Guckempfehlung.
Um 16 Uhr hab ich mir dann den Talk von Frank und Constanze über die Terrordatei angehört, der jetzt keine großen neuen Erkenntnisse für mich hatte, weil ich mir das eh schon hatte schildern lassen. Aber für alle anderen auch hier: klare Video-Guckempfehlung.
Im nächsten Slot habe ich mir den Vortrag in Saal 3 angehört, von der Digitalen Gesellschaft. War recht unterhaltsam und fluffig, auch Guckempfehlung.
Der nächste Vortrag war wieder Saal 1, über NSU und V-Leute. Von zwei Vortragenden aus dem Untersuchungsausschuss, die da eine schwindelig machende Liste an Daten und Fakten auf den Tisch gepackt haben, an deren Ende bei mir die Einsicht übrig blieb, dass von allen Abschätzungen darüber, wie furchtbar das alles bei den Geheimdiensten ist, die der Satiriker und Kabarettisten am nächsten an der Realität ist. Und die "Verfassungsschützer" sind auch alle völlig unfähig, auch nur die Anerkennung einzuräumen, dass diese NSU-Sache ein Fehler von ihnen gewesen sein könnte. In einer skizzierten Szene haben sich 5 Nazis auf einem Gipfeltreffen getroffen, um zu beraten, wie sie eine Demo organisieren sollen, und alle 5 waren V-Männer verschiedener Dienste. Wenn ihr nicht für alle Videos zeit habt, priosiert dieses hier höher als die anderen von heute.
Den Vortrag danach, von zwei NSA-Whistleblowern, hatte ich ja als Highlight des Tages eingeplant, auch weil Jake das in der Keynote als Meilenstein und wichtigsten Talk überhaupt angepriesen hatte, aber tatsächlich war es sehr enttäuschend. Die erste Rednerin war die Anwälte der beiden Whistleblower, die ein paar Gemeinplätze ala "Freedom, Liberty, Democracy" abließ, kein inhaltlicher Erkenntnisgewinn. Wie stolz sie doch sei, dass es solche Whistleblower gibt. Unbenommen, aber dafür hätten wir keine NSA-Whistleblower einfliegen müssen.
Der zweite Redner hat im Wesentlichen ein Patriotismus-Programm gefahren, um dann in gebrochenem Deutsch zu erklären, dass er nicht in einem Überwachungsstaat wie der DDR wohnen wollte, und sich nie hätte träumen lassen, dass die USA jetzt so sind. Machte lauter Kunstpausen, sein Vortrag bestand im Wesentlichen aus profunden Zitaten anderer Leute, selbst hatte er eher wenig bis nichts zu sagen. Der Dritte Redner hat dann ein paar lustige Anekdoten erzählt, wie er die Deppen ausmanövriert hat, die ihm da irgendwelche Bogus-Anklagen anhängen wollten. Die technischen Folien über die Möglichkeiten der NSA waren Buzzwords ala "latent semantic indexing" und "social network graph", leider auch nichts konkretes neues. Insgesamt schade, muss man sich nicht angucken.
Insgesamt bin ich positiv überrascht, weil es ja vorher aus mehreren Richtungen Gemecker gab über das Programm, und ich daher mit schlechteren Vorträgen gerechnet habe. Ich würde mir zwar auch mehr Technik-Talks wünschen, aber letztlich kann der Kongress auch nur Tech-Talks reinnehmen, wenn die eingereicht werden. Da müssen sich also die ganzen Techniker selber die Frage stellen lassen, wieso sie denn keine bahnbrechenden Tech-Talks eingereicht haben.
Der Fnord-Jahresrückblick ist am 3. Tag abends, das ist der 29.12. Es geht los um 23:00, aber man hat uns verwarnt, dass wir dieses Jahr nicht überziehen dürfen. Wir werden mal prüfen, ob wir da nicht ein bisschen Spielraum freiverhandeln können. Zur Not fangen wir halt ein paar Minuten früher an… *hust*